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Doch wehe, man stellt wiederholt unliebsame Fragen zu Zuschauerausschreitungen in der Serie A, Schiedsrichterbestechungen, Burnout-Gefahr und Suizid-Versuche bei Schiedsrichtern. Seine Lippen formulieren dann zwar diplomatisch-ausweichende Antworten, doch je mehr man insistiert und nachfragt, verändert sich der Ausdruck seiner zuvor noch so freundlichen blauen Augen immer mehr. Non-verbale Kommunikation, so erläuterte Collina später, sei wichtig, wenn es darum gehe Entscheidungen zu vermitteln. Und uns machte er seine Entscheidung unmissverständlich klar.
Da war er, dieser stechende Blick, der einst auf den Fußballfeldern selbst gestandene Mannsbilder wie Oliver Kahn und Zinedine Zidane einschüchterte und auch uns unmissverständlich und autoritär klar machte: "Bis hierher und nicht weiter, Freundchen. Themenwechsel." Schnell ablenken. Ist diese Autorität, die den sechsfachen Weltschiedsrichter Collina neben seinem markanten Äußeren und seiner unbestrittenen Fachkompetenz immer ausgezeichnet hatte, eigentlich erlernbar oder ist sie gar angeboren?
"Autorität schon im Teenageralter gelernt"
"Sie kommt von einem selber und der Rolle, die man ausübt", erklärte Collina, während sich seine angespannten Gesichtsmuskeln langsam wieder entspannten. "Man kann sie bereits in sich haben oder man versucht zu lernen, wie man mit Menschen umzugehen hat." Die Voraussetzung sei, Entscheidungen zu treffen. Die Fähigkeit habe er selbst schon früh erlernt. "Die wohl wichtigste Zeit war zwischen meinem 17. und 20. Lebensjahr, wo einem Eltern, Geschwister und Lehrer einem viele Entscheidungen abnehmen. Aber wenn man dann Spiele pfeifen muss, wo die Spieler älter sind als man selbst, dann lernt man das unter dem Druck schnell und durchläuft einen Reifeprozess."
Und dieser Reifeprozess habe ihn dann laut IFFH zum besten Schiedsrichter der letzten 25 Jahre werden lassen? "Ich hoffe, dass meine guten Leistungen dabei eine Rolle gespielt haben", erklärte Collina stolz und fügte dann lachend an: "Ich glaube aber, dass ich gelesen habe, dass es nicht nur um die letzten 25 Jahre ging, sondern um den besten Schiedsrichter seit Beginn der Zeitrechnung." Puh, Collina lachte, sein Blick wirkte mittlerweile auch wieder tiefenentspannt, das kurzzeitig drohende Gewitter hatte sich glücklicherweise verzogen.
"Aus Fehlern lernen - Nachbereitung wichtig gegen Burnout"
Eine gute Gelegenheit, doch noch mal die zuvor Burnout-Thematik anzusprechen. Befand sich denn auch Collina einmal selbst in einer Situation, in der ihm der Stress zu groß wurde? Die Antwort fiel wie erwartet ausweichend aus, die Züge des Italieners blieben allerdings gelockert. "Die Nachbereitung ist für einen Schiedsrichter sehr wichtig. Es ist einfach, wenn alles gut läuft. Aber natürlich gibt es Perioden, da läuft es einfach nicht, obwohl man sich anstrengt. Aber Fehler gehören einfach dazu, sie sind Teil des Geschäfts. Wichtig ist, einen Weg zu finden, mit ihnen zurecht zu kommen. Nur dann kann man stärker zurückkommen."
Das hat er in seiner Karriere eindrucksvoll geschafft. Und was wären weitere Merkmale, die einem Schiedsrichter Respekt und ähnliches Ansehen verschaffen können? "Eine gute Vorbereitung ist sehr wichtig", erklärte Collina. "Der Schiedsrichter muss natürlich die Regeln kennen und deren Anwendung. Das hat früher noch gereicht. Heute muss er aber auch ein Spiel lesen können, also immer an der richtigen Stelle stehen, um den Überblick zu behalten. Man sollte die Taktiken der Teams und die Spieler kennen. Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Als Schiedsrichter muss man wissen, ob es einen Spieler gibt, der extrem weite Einwürfe macht und den Ball vielleicht 30 bis 40 Meter weit fliegen lässt. Denn so kann der Ball vielleicht auch mal bis zum Elfmeterpunkt fliegen."