1899 Hoffenheim: Tim Wiese und der Aufstieg aus dem Mittelmaß

Tim Wiese trägt in Hoffenheim auch die Kapitänsbinde

"Wir brauchen einen neuen Timmy", hieß es früher in der TV-Serie "Die Dinos". Den haben die Verantwortlichen und Fans von 1899 Hoffenheim sogar schon. Auf Tim Wiese ruhen viele Hoffnungen im Kraichgau: Er soll ein wichtiges Puzzleteil für das Projekt Europacup sein.

Best Case-Szenario: Hoffenheim wird Vierter

Die von Wiese angeführten Hoffenheimer können die von oberer Stelle gesetzten Forderung "raus aus dem Mittelmaß, ab nach Europa" erfolgreich umsetzen - auch wenn der erste Eindruck im DFB-Pokal desaströs war. Schlagen neben Wiese der ebenfalls eingekauften Matthieu Delpierre und Eren Derdiyok ein, könnte bei optimalem Saisonverlauf sogar die Champions League Qualifikation drin sein.

Überhaupt hat Manager Markus Babbel dem Trainer Markus Babbel schon mit den Neueinkäufen eine gelungene Mischung zwischen routinierten Akteuren (Wiese, Delpierre,Chris), bereits in Liga und ihrer jeweiligen Nationalelf gesetzten Spielern (Derdiyok) und jungen, hoffnungsvollen Talenten (Kevin Volland - auch wenn der streng gesehen bereits seit 2011 ein Hoffenheimer ist,Takashi Usami) beschert.

Gemischt mit den in der Dietmar Hopp-Arena schon anerkannten Akteuren wie Sejad Salihovic dürfte Babbel die in der letzten Saison schmerzlich vermisste Qualität haben. Im Idealfall versteht sich, denn dann spielt Babbels Team aus einer von den Routiniers Wiese und Delpierre souveränen Abwehr, die ansonsten aus den "Ur-Hoffenheimern" Beck, Marvin Compper oder Isaac Vorsah und Fabian Johnson bestehen könnte, heraus.

Davor ein von Salihovic und/oder Sebastian Rudy geführtes Hoffenheimer Mittelfeld, in dem Jungspunde wie Usami, Volland, Boris Vukcevic oder auch Roberto Firmino ein gewaltiges Wörtchen mitreden könnten. Und vorne dürften Derdiyok oder der von Real Madrid verpflichtete Joselu ihre Kreise ziehen und - so die Hoffnung im Kraichgau - endlich die vor einem halben Jahr von Vedad Ibisevic gerissene Lücke schließen.

Worst Case-Szenario: Hoffenheim beendet die Saison als Zwölfter

Einen sehr bitteren Vorgeschmack auf den Worst Case bekamen die Hofffenheimer in der ersten Runde des DFB-Pokals, als es beim Regionalligisten Berliner AK eine 0:4-Schlappe setzte. "Konfus", "hilflos" oder auch "vorgeführt" - diese Worte bestimmten auch den Spielbericht bei sportal.de. 

Noch ärger als in Berlin dürfte es werden, wenn auf den dünner besetzten Positionen die Leitwölfe ausfallen. Beispiel: Tim Wiese. Hinter dem sitzen mit Jens Grahl und Koen Casteels zwei Ersatzleute, die in Sachen Bundesliga-Spiele eine 0:259-Bilanz gegenüber der Nummer eins aufzuweisen haben. Und was, wenn Derdiyok entweder ausfällt oder die in ihn gesetzten Erwartungen als Ibisevic 2.0 nicht erfüllen kann.

Die Hoffnungen der Hoffenheimer müssen hauptsächlich auf den Neuzugängen liegen, denn die Statistiken sprechen nicht für Markus Babbel, der seit seinem Amtsantritt im Februar in der letzten Saison weder System noch Stammformation finden konnte. Dazu kommt: In der Rückrunde 2012, die ja größtenteils unter Babbels Regie stattfand, belegen die Hoffenheimer in der Tabelle den 13. Rang. Aber Babbel hat in Berlin und auch in Stuttgart unter Beweis gestellt, dass er ein richtig guter Trainer sein kann.

Im Worst Case könnte aber auch ein altes Problem wieder auftauchen: Unruhe von außen. Sollte Babbels Reiseplan nach Europa früh ins Stocken geraten (wonach es Stand jetzt ja sogar aussieht), könnte bei den Hoffenheimern nach den Rangnick- und Stanislawski-Querelen eine Babbel-Krise für einen ungemütlichen Winter sorgen. Dann wäre der von sportal.de ausgemachte Worst-Case-Platz 12 und das gefürchtete Mittelmaß die Konsequenz. Mit dem Abstieg werden die Hoffenheimer aber nichts zu tun haben.

Das begeistert mich an Hoffenheim

Sven Kittelmann: Vielleicht ist das Adjektiv "begeistert" nicht ganz richtig im Fall Hoffenheim gewählt, aber seit dem von Dietmar Hopp beflügelten Aufstieg denke ich vor jeder Saison: "Jetzt bin ich mal gespannt, wie dieser Versuch ausgeht." Und ob man es nun 1899 oder TSG Hoffenheim oder Projekt, Mittmaß-Bundesliga-Club aka Blaue Maus oder Dorfverein nennt, in den Alltag des deutschen Oberhauses gehören die Kraichgauer vorerst nun einmal, da kann man sich vielleicht sogar das ein oder andere für den eigenen Traditionsverein abgucken - und bevor es ein spitzfindiger Leser sagt: Nein, ich meine nicht die Beschallung der gegnerischen Fans.

Das nervt mich an Hoffenheim

Marcus Krämer: Welch eine Freude, ich darf die leichteste Rolle in unserer Bundesliga-Serie übernehmen. Hoffenheim dissen, das fällt vielen Fans in Deutschland leicht. Aber ich bin Journalist, also gehe ich neutraler an die Sache heran:

Trotzdem nervt auch mich eine Sache, die im weitesten Sinne auch das Fanherz bewegt. Das ist die Rolle von Dietmar Hopp. Um sein Mäzenatentum geht es dabei gar nicht, in Leverkusen und Wolfsburg gehören die Millionen des Sponsors ja mittlerweile auch dazu. Aber die konsequente Missachtung der 50+1-Regel ist schon ein Ärgernis. Offiziell bekleidet Hopp im Kraichgau kein Amt, trotzdem äußert sich der Milliadär in geregelten Abständen immer wieder zu Zielen und zur Ausrichtung des Clubs, ganz zu schweigen von Verhandlungen bei Transfers, wie es beispielsweise bei Luiz Gustavos Wechsel zum FC Bayern der Fall war.

Die sportal.de-Prognose: 1899 Hoffenheim

Im Zweifel für den Angeklagten - oder eben 1899 Hoffenheim lautet unsere Devise. Und so gönnen wir den Kraichgauern am Ende der Saison tatsächlich die Fahrt nach Europa. Zwar nicht als Champions League-Qualifikant, wie es Tim Wiese gerne hätte. Aber für die Europa League dürfte es reichen. Und dieser Wettbewerb ist im Ansehen der Hoffenheimer sicher nicht der "Cup der Verlierer", wie es der Kaiser einst formulierte. Sondern das Ticket aus dem Mittelfeld heraus, um dem Image der grauen Maus zu entkommen.

Prognose: Die sportal.de-Tabelle: