
Jens Keller hat mit Schalke 04 einen Fehlstart in die Rückrunde vermieden und trotz vier Gegentoren gegen Hannover 96 gewonnen. In einem Neun-Tore-Spektakel traf der baldige Ex-Schalker Lewis Holtby einmal und legte zwei Treffer auf. Hannover kassierte sein 23. Auswärtsgegentor in neun Spielen.
Es war die torreichste zweite Halbzeit in einem Bundesligaspiel seit dem 11:1 von Borussia Dortmund gegen Arminia Bielefeld - Anfang der 1980er Jahre. Jens Keller verlebte also nicht das, was man einen ruhigen Nachmittag nennt. Aber angesichts der großen Skepsis, die in Gelsenkirchen eingezogen war, durfte der neue Coach sich über einen gelungenen Punktspielauftakt freuen.
Keller änderte seine Mannschaft im Vergleich zum missglückten Pokalauftakt gegen Mainz auf vier Positionen. Die gesperrten Klaas-Jan Huntelaar und Jermaine Jones wurden durch Lewis Holtby und Marco Höger ersetzt, das System wurde wieder auf eine einzige Spitze (Ciprian Marica) umgestellt. In der Abwehr kamen Atsuto Uchida und Joel Matip für Christoph Metzelder und Tranquillo Barnetta zum Einsatz.
Mirko Slomka musste an alter Wirkungsstätte ebenfalls umbauen und brachte nach dem Pokalaus in Dortmund vor Weihnachten gleich fünf Neue in die Startelf: Sofian Chahed ersetzte rechts hinten den verletzten Kapitän Steven Cherundolo, Winterneuzugang Johan Djourou verdrängte Karim Haggui auf die Bank, und Konstantin Rausch spielte links für Christian Pander. Didier Ya Konan, der beim Afrika-Cup weilt, wurde durch Artur Sobiech, der nach einer Blinddarm-OP nicht einsatzfähige Christian Schulz durch Jan Schlaudraff ersetzt.
Müde erste Halbzeit - hoffentlich haben Sie nicht abgeschaltet
Schalke begann besser, was aber nur ca. zehn Minuten Bestand hatte. In diesen hatte Marica die beste Chance für die Knappen, als er nach Zuspiel von Lewis Holtby im Strafraum zum Abschluss kam, den Ball aber - von einem Tackling Djourous noch gestört - knapp am linken Lattenkreuz vorbeischoss. Der Schweizer Neu-Hannoveraner hatte ansonsten ein durchwachsenes Bundesligadebüt. Für eine Grätsche gegen Jefferson Farfán sah er in der ersten Halbzeit Gelb von Schiedsrichter Deniz Aytekin, obwohl er den Schalker nicht berührt hatte. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der er sich Farfán in den Weg warf, hätte der sich aber auch bei seinem Sprung über Djourou verletzen können, so dass die Verwarnung vertretbar war.
Von der unmittelbaren Anfangsphase abgesehen, war die erste Spielhälfte nicht gerade hochwertig, doch kurz vor der Pause gelang Farfán das 1:0. Das fünfte Saisontor des Peruaners war das fünfte 1:0 in der Veltins Arena. Nach einem Einwurf von Christian Fuchs, der eckengleich in den Strafraum segelte, verlängerte Mario Eggimann mit dem Kopf auf Farfán, der am langen Fünfmeterraumeck frei stand, weil Benedikt Höwedes geschickt Rausch nach innen gezogen hatte.
Nach der Pause ging es dann so rasant weiter, dass wir Ihnen, um die Speicherkapazität unserer Hosting-Server nicht zu überlasten, nur die Tore beschreiben können. Auch das zweite Schalker Tor fiel nach einem Einwurf, aber diesmal in der Schalker Hälfte. Eggimann zweimal und Djourou einmal hatten die Chance, den Ball zu kontrollieren, spielten aber Schweizer Lederballpingpong, bis Eggimann schließlich unfreiwillig in den Lauf von Holtby ablegte. Der nahm die Beine in die Hand und hatte nur noch Sofian Chahed als Gegenspieler, was er mit einem schönen Außenristanspiel quer auf die andere Seite zum mitgelaufenen Julian Draxler löste. Draxler kontrollierte den Ball etwas unbeholfen, ließ dann aber Ron-Robert Zieler im Eins gegen Eins keine Chance - wenngleich der Keeper sich unwillkürlich etwas aus der Schussbahn drehte, wie schon beim ersten Gegentreffer.
Zwei Gegentore innerhalb weniger Minuten - und das fast zweimal für Schalke
Als viele Pressekollegen begannen, die Kellerhymnen zu formulieren und Hannovers Auswärtsschwäche in wohl gewählten Worten zu verhöhnen, fiel aus heiterem blau-weißen Himmel der erste Anschlusstreffer. Eine verunglückte Kopfballabwehr von Uchida fiel Sergio Pinto vor die Füße. Sein Schuss wurde von Roman Neustädter unhaltbar für Timo Hildebrand abgefälscht. Da waren 55 Minuten gespielt, und noch bevor der Mann mit dem Stundengong seinen Dienst aufgenommen hatte, stand es 2:2. Chaheds Flanke von rechts kam zu Szabolcs Huszti, der mit sauberer Schusstechnik in die lange Ecke traf.
Hannovers Defensive aber war einfach nicht gut genug organisiert, um diesen neuen Zwischenstand zu halten. Und so dauerte es nur wenige Minuten, bis Schalke wieder in Führung ging. Eine Brustablage von Marco Höger auf Holtby führte dazu, dass neben dem Holtby stellenden Djourou auch noch Chahed und Eggimann dem Ball entgegenstürzten. In ihrem Rücken bot sich Höger einfach an, bekam von Holtby den Ball zurück und traf zum 3:2. Weitere drei Minuten später schloss Marica einen Konter zum 4:2 ab, und damit sollte nun wirklich alles entschieden sein, oder? Mitnichten.
Denn innerhalb von nur vier weiteren Minuten hätte Hannover erneut ausgleichen können. Erst traf Huszti zum 4:3, nachdem Mame Diouf ein Kopfballduell gegen den zehn Zentimeter kleineren Uchida gewonnen und aufgelegt hatte. Der selbe Diouf hatte im nächsten Angriff eine Pinto-Flanke von rechts am langen Pfosten aus der Luft genommen, aber den schwer zu verwertenden Ball knapp am Pfosten vorbeigesetzt.
96 brachte in der Schlussphase zwei Bundesligadebütanten mit André Hoffmann und Deniz Kadah, aber nach einer eigenen Ecke kassierten die Roten einen Konter mit Vier-gegen-eins-Situation, den Holtby nach Ablage von Farfán zum 5:3 abschloss. Das war aber immer noch nicht der Schlusspunkt, denn Diouf nutzte in der Nachspielzeit mit einem tollen Fallrückzieher aus fast 20 Metern die Tatsache, dass Hildebrand gerne ein paar Schritte vor seinem Tor steht.
Dann aber pfiff Aytekin ab, der mit der Entscheidung, nach einer zweiten Hälfte mit acht Toren nicht einmal zwei Minuten nachspielen zu lassen, seinen einzigen Fehler eines ansonsten tadellosen Abends zeigte.