
Michael Schumacher ist denkbar ungünstig in das Heimspiel am Hockenheimring gestartet, legte beim zweiten Training einen Dreher aufs Parkett und krachte in einen Reifenstapel. Immerhin blieb der danach winkende Schumacher unverletzt. Im Gegensatz zum Auto.
Es begann mit einer Ansage von ganz oben. "Wir haben ein denkbar klares Ziel: Wir wollen Weltmeister werden", sagte Konzernchef Dieter Zetsche im Januar 2010 bei der offiziellen Vorstellung des Formel-1-Werksteams von Mercedes.
Auch wenn der schwäbische Autobauer mit dem Rennstall BrawnGP den Weltmeister von 2009 übernommen hatte, mahnte Zetsche damals aber auch Geduld mit der selbst ernannten deutschen Nationalmannschaft der Motorsport-Königsklasse an. "Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass es im ersten Jahr klappen muss. Wir sind ein neues Team - geben Sie uns ein bisschen Zeit."
Nicht im ersten, nicht im zweiten Jahr gelang es. Und auch im dritten Jahr spielt die namhafte Formation mit Rekord-Weltmeister Michael Schumacher und Champion-Sohn Nico Rosberg im Titelrennen keine Rolle. 909 Tage nach der Präsentation im Mercedes-Museum wäre es deshalb sicherlich eine gute Zeit für einen Heimsieg auf dem Hockenheimring, gerade mal 120 Kilometer von der Firmenzentrale entfernt.
Keine Traumrunde, sondern ein Unfall
Hätte, wenn und aber: Tatsächlich gab es erstmal Rückschläge beim Start ins Heimwochenende. Vier Minuten vor dem Ende des Freitagstrainings kam Schumacher auf der regennassen Strecke vom Kurs ab, schlug erst mit der Fahrzeugnase in die Reifenstapel und dann auch noch mit dem Heck ein. Der Silberpfeil musste an den Haken, den Mechanikern stand ein langer Abend bevor.
Schumacher nahm die Schuld auf sich, "Ich war nicht voll konzentriert." Sein Teamkollege Rosberg kam ohne Crash durch, allerdings muss an seinem Wagen das Getriebe gewechselt werden. Heißt: Rosberg muss in der Startaufstellung fünf Plätze zurück. Keine guten Voraussetzungen für den zweiten Mercedes-Sieg.
Rosberg hatte mit dem Premierenerfolg der Silbernen im April in China sogar die Hoffnungen geweckt, im Titelrennen mitmischen zu können. In Monte Carlo legte der Wahl-Monegasse mit Rang zwei nach. Mittlerweile ist Rosberg WM-Sechster mit 75 Punkten - 54 Zähler weniger als Spitzenreiter Fernando Alonso. Schumacher, siebenmaliger Weltmeister und 91-facher Grand-Prix-Gewinner, ist WM-Zwölfter. Sein Rückstand auf Alonso: 106 Punkte.
Das Feld ist zusammengerückt
Sein Trost: Rang drei in Valencia und damit der erste Podestplatz von Schumacher seit dem 1. Oktober 2006. Der Anspruch aber ist höher - bei Schumacher, bei Rosberg, bei Mercedes, das nach mehr als fünf Jahrzehnten wieder ein eigenes Werksteam ins Rennen geschickt hat.
Das Problem ist in diesem Jahr die erstaunliche Dichte im Feld. Mehr als ein halbes Dutzend Teams kann um die vorderen Plätze mitfahren. Das Gute: "Wir haben sie alle in den ersten neun Rennen schon geschlagen", sagt Norbert Haug. Das Schlechte: "Sie uns auch", so der Motorsportchef.
Die Folge: In der Konstrukteurswertung rangiert Mercedes lediglich auf Platz fünf mit 98 Punkten. Red Bull hat schon 216 Zähler, Ferrari 152, Lotus 144 und McLaren 142. Ein starker Auftritt von Schumacher und Rosberg beim Großen Preis von Deutschland vor vielen Mitarbeitern des Konzerns mit dem Stern täte also in jeder Hinsicht gut.
Wie gehts es mit Schumacher weiter?
Zumal auch andere Dinge noch geklärt werden müssen. Noch immer verhandelt Mercedes mit Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone über das neue Concorde Agreement, das die Verteilung der Gelder regelt. Mercedes beharrt auf seiner Formel-1-Tradition, Ecclestone stuft sie als Neuling ein - um Zuschüsse zu sparen.
Hinzu kommt die Frage nach der Zukunft von Schumacher, der sich bei der Beantwortung von nichts und niemanden drängen lassen will. Ein Sieg wie 2006 - der bislang letzte eines deutschen Piloten auf dem Hockenheimring - am Sonntag könnte die Entscheidungsprozesse womöglich beschleunigen. Dafür muss Schumacher aber voll konzentriert sein.
Kommt er oder kommt er nicht?
Und während Schumacher in jedem Fall am Rennen teilnehmen wird, ist der Besuch von Formel 1-Boss Bernie Ecclestone weiter fraglich. Obwohl sein exklusiver Wohn-Truck mit schönsten Blumen geschmückt und der Kunstrasen vor der Tür ausgerollt wurde, ist der Besuch am Hockenheimring noch nicht bestätigt.
Denn die Lage ist brisant, nachdem sein ehemaliger Geschäftspartner den Briten erneut schwer belastet hat. Der frühere BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky sagte inzwischen als Zeuge im Verfahren gegen Ecclestone bei der Staatsanwaltschaft in München aus. Und die arbeitet mit Hochdruck an einer Anklage gegen den Engländer.
Ecclestone bestreitet die Anschuldigungen
Nach übereinstimmenden Berichten von Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur wiederholte Gribkowsky sein Geständnis aus dem Prozess und beschuldigte Ecclestone erneut, ihm 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt zu haben. Der Ex-Banker war im Juni wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
Ecclestone bestreitet die Schmiergeld-Anschuldigungen vehement. Er beteuerte mehrfach seine Unschuld. Dass er Gribkowsky bestochen haben soll, bezeichnete er als "Unsinn". Das einzige, was stimme, sei, dass er Gribkowsky zehn Millionen Pfund gezahlt habe, räumte Ecclestone ein.
"Damit er mit dem Blödsinn aufhört, mir permanent Andeutungen zu machen, wie er mich bei den britischen Steuerbehörden hinhängen kann", hatte Ecclestone in einem Interview dem Nachrichtenmagazin Focus vor drei Wochen gesagt. Darin hatte Ecclestone auch angekündigt: "Natürlich fahre ich nach Hockenheim."