
Der BVB spielt eine durchwachsene Saison, negativ gekrönt von der Derby-Niederlage. Vor dem Champions League-Spiel gegen Real Madrid fällt auf, dass die schlechten Leistungen ohne Ilkay Gündogan abgeliefert wurden. sportal.de befürchtet die nächste Pleite.
Denn Gündogans Genesung schreitet nur langsam voran, gegen die Königlichen wird die Schaltzentrale von Borussia Dortmund wieder von Sven Bender und Sebastian Kehl gebildet. Erstklassiger Ersatz, werden neutrale Beobachter nun einwerfen, aber Bender und Kehl haben ihre Stärken in der defensiven Balleroberung, in den Zweikämpfen und im Stellungsspiel, für die Entwicklung der schnellen Dortmunder Angriffe ist ihre Bedeutung nicht ganz so wichtig.
Gündogan hat sich in dieser Frage dagegen stetig entwickelt und ist mittlerweile zum wichtigsten Spieler beim BVB geworden. Bei der 2:3-Niederlage beim HSV fehlte Gündogan krank, beim 3:3 in Frankfurt wurde er erst in der Schlussphase eingewechselt, das 1:1 in Hannover konnte Gündogan wegen seiner Rückenverletzung nur von außen betrachten und gegen Schalke (1:2) fehlte Gündogan erneut. Vier Spiele, kein Sieg - in den restlichen sieben Pflichtspielen mit Gündogan auf der Doppelsechs gab es fünf Siege und zwei Unentschieden für die Borussia.
Die Systematik des BVB-Spiels verschiebt sich
Trainer Jürgen Klopp wirkte nach Gündogans zweitem Ausfall der Saison deshalb auch besonders genervt, auch wenn Klopp öffentlich die Bedeutung eines einzelnen Spielers nie explizit herausstellen würde. Von Zufall kann bei dieser Anhäufung von positiven und negativen Beispielen ohnehin nicht gesprochen werden, zu offensichtlich sind Gündogans Stärken:
Da wäre zunächst Gündogans Ball- und Passsicherheit zu nennen. Seit die Gegner die Bedeutung von Mats Hummels für den Dortmunder Spielaufbau begriffen haben, wird der Innenverteidiger konsequent - wenn auch nicht von allen Teams - zugestellt und fällt somit als Spieleröffner aus. Neven Subotic ist defensiv ein starker Partner für Hummels, gerade seine langen Pässe haben aber eine zu große Fehlpassquote.
Somit ist Gündogans Bedeutung als erster Anspielpartner für Subotic, Torhüter Roman Weidenfeller oder die Außenverteidiger Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer im Vergleich zur vergangenen Saison nochmals angestiegen, dabei überzeugt die Nummer Acht des BVB in doppeltem Sinn. Gündogan kann im Mittelfeld mit dem Rücken zum gegnerischen Tor genauso angespielt werden wie als verkappter Libero, wenn er sich zwischen Hummels und Subotic nach hinten fallen lässt. In beiden Szenarien gibt es keinen Bruch im Dortmunder Spiel, in der Bundesliga kommen über 90 Prozent von Gündogans Pässen an.
Gündogan kann das Spiel des Gegners lesen
Dabei gehört es zu Gündogans Qualitäten, dass er sowohl die kurzen als auch die langen Pässe auf die hoch stehenden Außenverteidiger oder auf Stürmer Robert Lewandowski beherrscht. Das auf schnelles Umschalten ausgelegte Spiel des BVB braucht einen Taktgeber, im ersten Meisterjahr war das Nuri Sahin ebenfalls im defensiven Mittelfeld, in der vergangenen Saison gab der wesentlich offensivere Shinji Kagawa viele Impulse. Nun ist es Gündogan, der bereits in der letzten Rückrunde stark aufspielte und so noch auf den EM-Zug springen konnte, seine Bedeutung ist nochmals gestiegen.
Das hat auch damit zu tun, dass Gündogan häufig richtig steht, Angriffe der Gegner gut antizipiert und somit Wege zustellt und Pässe abfängt. Durch die Ab- und Zugänge der vergangenen Jahre hat sich das System des BVB auf den ersten Blick kaum verändert, Spieler wie Marco Reus, Robert Lewandowski oder eben Gündogan interpretieren ihre Rollen aber anders als ihre Vorgänger und die Veränderungen hat Klopp bisher gut hinbekommen. Eine Abhängigkeit von Gündogan ist aber eine Begleiterscheinung, die nicht gewünscht war.
Gündogans Schwächen: Zweikämpfe und Torabschluss
Bei all der Lobhudelei darf man nicht vergessen, dass Gündogan noch genügend Verbesserungspotential hat. Da wäre in erster Linie sein Zweikampfverhalten zu nennen, mit 50 Prozent gewonnener Duelle in der Bundesliga kommt er als defensiver Mittelfeldspieler auf keinen guten Wert - Spieler wie Roman Neustädter (Schalke) oder Pirmin Schwegler (Eintracht Frankfurt) kommen da auf wesentlich bessere Werte.
Zudem muss sich Gündogan im letzten Drittel des Spiels verbessern, sowohl der letzte Pass als auch der eigene Abschluss müssen präziser kommen. Schüsse aus der zweiten Reihe nimmt Gündogan gerne, die Torgefährlichkeit aus seinem dritten Jahr beim 1. FC Nürnberg hat er dabei aber noch nicht erreichen können.
Im Moment ist Gündogans Fehlen aber nicht die einzige Sorge für Klopp, der im Derby mit seiner Umstellung auf Dreierkette selbst für Unruhe im Dortmunder Spiel gesorgt hatte. Linksverteidiger Schmelzer droht erneut auszufallen, dann dürfte Kevin Großkreutz in die Viererkette rücken, da Klopp derzeit das Vertrauen in Chris Löwe fehlt. Dann stellt sich nach dem Ausfall von Kuba Blaszczykowski auch die offensive Dreierreihe von allein auf, immerhin konnte Mario Götze wieder trainieren und dürfte an der Seite von Reus und Ivan Perisic auflaufen.