Keine Gnade für den "Vampir": Für Uruguays Starstürmer Luis Suárez ist die WM in Brasilien wegen seiner schändlichen Beiß-Attacke im Vorrundenspiel gegen Italien vorzeitig beendet. Die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA gab am Donnerstag eine sofortige Neun-Spiele-Sanktion sowie eine Vier-Monats-Sperre für alle Fußball-Aktivitäten für den 27-Jährigen bekannt. Uruguays Verband AUF kündigte an, Einspruch einzulegen.
Dieser war bis zum Nachmittag noch nicht bei der FIFA eingegangen, er hätte ohnehin keine aufschiebende Wirkung der Entscheidung - die WM ist für den Torjäger des FC Liverpool vorbei. Die Sperre greift erstmals im WM-Achtelfinale der Uruguayer am Samstag gegen Kolumbien. Die Sanktion für vier Monate bedeutet, dass Suarez an Fußball-Aktivitäten jeder Art nicht teilnehmen darf. Sogar der Aufenthalt im Team-Quartier wurde dem Angreifer verboten.
Wiederholung berücksichtigt
"Ein solches Verhalten kann auf dem Fußballplatz nicht toleriert werden, und besonders nicht bei einer Weltmeisterschaft, wo Millionen Menschen auf die Stars auf dem Feld blicken", sagte Claudio Sulser, der Chef des FIFA-Disziplinar-Komitees. Das Urteil habe alle Faktoren des Falles berücksichtigt - "Beißer" Suarez ist ein Wiederholungstäter.
Damit steht Angreifer Suarez seinem Team selbst im Falle eines Finaleinzugs am 13. Juli in Rio de Janeiro nicht zur Verfügung. Selbst ein Stadionbesuch ist ihm untersagt. Suarez wurde zudem zu einer Geldstrafe von 100.000 Schweizer Franken (82.000 Euro) verurteilt. Die Sperre von neun Partien gilt nur für WM-Endrunden- bzw. Qualifikationsspiele. In normalen Länderspielen kann er nach Ablauf der vier-Monats-Frist von Uruguays Verband eingesetzt werden.
Ein möglicher Transfer von seinem Klub FC Liverpool zu Champions-League-Sieger Real Madrid - wie es in den Medien diskutiert wird - ist allerdings möglich. Dies sagte FIFA-Sprecherin Delia Fischer. Der Uru-Star kann allerdings vom FC Liverpool oder einem möglichen neuen Klub während der viermonatigen Sperre nicht eingesetzt werden. Ob der Verein Einspruch gegen die Sperre einlegt, will er erst nach genauer Prüfung des Berichts des Disziplinarkommission entscheiden.
Teamkollegen außer sich
Mit einem persönlichen Schreiben an den Weltverband hatte Suárez zuvor versucht, die Entscheider gnädig zu stimmen. Der uruguayische Verband soll der FIFA einen 17-seitigen Bericht und mehrere Videos von Unsportlichkeiten anderer WM-Spieler vorgelegt haben, die den Fall Suárez relativieren sollten.
Während Suárez zu seiner drakonischen Strafe zunächst schwieg, verschafften sich seine Teamkollegen Luft über die sozialen Netzwerke. Er empfinde "Empörung und Ohnmacht", twitterte zum Beispiel Abwerhspieler Diego Lugano: "Wir wollen alle eine gerechte Welt, aber diese Welt existiert einfach nicht."
Am 24. Juni im WM-Vorrundenspiel gegen Italien hatte Suárez seinen italienischen Gegenspieler Giorgio Chiellini in der 79. Minute in die Schulter gebissen. Auf dem Platz war Suárez noch ungeschoren davongekommen, obwohl Gegenspieler Chiellini Schiedsrichter Rodriguez immer wieder seine Schulter mit der angeblichen Bisswunde zeigte. Suárez konnte aber aufgrund der TV-Bilder verurteilt werden.
Der Torschützenkönig der englischen Premier League, der bei der WM mit seinem Doppelpack gegen seine Wahlheimat England (2:1) auch schon für sportliche Schlagzeilen sorgte, ist Wiederholungstäter. Schon 2010 bei Ajax Amsterdam und 2013 beim FC Liverpool biss er einen Gegenspieler, bekam seinen Spitznamen "Kannibale" verpasst und wurde jeweils lange gesperrt.
Adidas stellt Kampagnen ein
Die FIFA-Strafe dürfte Suárez nicht nur sportlich, sondern auch finanziell wehtun. Adidas kündigte als erster Sponsor an, die Werbeaktivitäten mit dem Torschützenkönig der Premier League einzustellen.
"Wir planen keine weiteren Marketingaktivitäten mit Suarez während der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2014", sagte adidas-Sprecher Oliver Brüggen dem SID: "Adidas unterstützt die von der FIFA getroffene Entscheidung und duldet das jüngste Verhalten von Luis Suárez nicht. Einige seiner Sponsoren wie ein Online-Glücksspiel-Unternehmen hatten bereits vor der Verkündung der Sanktion die Geschäftsbeziehung auf den Prüfstand gestellt.
In Uruguay tobt derweil ein Sturm der Entrüstung. Liliám Kechichián, Ministerin für Tourismus und Sport, bezeichnete das Urteil als "exzessive Strafe". Politiker aller Parteirichtungen nutzten ihren Twitter-Account. "Eine Lynchjustiz im 21. Jahrhundert", schrieb Horacio Yanes. "Es fehlt nur der elektrische Stuhl. Eine Sache ist eine Strafe, die andere eine Hinrichtung", meinte Sergio Abreu.
Die englische Profispieler-Vereinigung PFA hätte sich auch eine psychologische Behandlung als Teil der drakonischen Strafe gewünscht. Die FIFA hätte darauf achten sollen, "dass dieses Verhalten ausgerottet wird und auf einige seriöse Beratungen und Behandlungen für Luis Suárez bestehen müssen. Denn er ist unbestritten einer der besten Spieler in der Welt", sagte PFA-Vorsitzender Gordon Taylor bei Sky Sports.