
Die Rückkehr der Altstars Stefan Edberg und Boris Becker bringt dem Tennissport neue Aufmerksamkeit. Aber was bringt sie Novak Djokovic und Roger Federer? sportal.de erklärt, welche Verbesserungen die Altmeister bei ihnen bewirken könnten.
"Lendl Hearing Footsteps? - Becker, Edberg Should Challenge For Australian Open Tennis Title" - die Schlagzeile, mit der die Seattle Times am 14. Januar 1990 ihre Australian Open-Vorschau versah, könnte nahezu wortgleich auch 24 Jahre später erneut gedruckt werden. Der Legenden-Effekt, den Andy Murray mit der Verpflichtung von Ivan Lendl als Coach auslöste, macht es möglich. Jetzt treten Boris Becker und Stefan Edberg in den Fußstapfen des gebürtigen Tschechen.
Nach diversen Enttäuschungen und zahlreichen bitteren Niederlagen in Grand Slam-Finals hatte Murray vor zwei Jahren den Ruf als ewiger Zweiter gründlich satt. Er erkannte, dass er einen Mentor brauchte, dessen Erfahrung ihn fit für den großen Wurf machen konnte. Der Plan ging auf. Lendl hob Murray auf ein neues Level und machte den hochtalentierten, aber lange als phlegmatisch geltenden Briten vom ewigen Zweiten zum US Open-, Wimbledon- und Olympiasieger.
Dazu stellte er ihn taktisch neu ein, schaffte es aber vor allem, Murray aus eigener Erfahrung glaubhaft zu vermitteln, dass man an Niederlagen wachsen kann und dass ein kühler Kopf in hitzigen Situationen den entscheidenden Unterschied macht. Der Wunsch des Schotten zu lernen, aber besonders die Bewunderung Murrays für die Tennislegende halfen. Anders als zu seinen vorherigen Coaches konnte der Brite zu ihm aufschauen. "Ich wollte, dass Ivan stolz auf mich ist", erklärte Murray, was ihn besonders motivierte und ihm letztlich zum großen Durchbruch verhalf.
Edberg als Berater von Federer verpflichtet
Eine ähnliche Entwicklung erhoffen sich nun auch Novak Djokovic und Roger Federer, nachdem sie mit Boris Becker und Stefan Edberg ebenfalls Tennis-Ikonen der 80er Jahre in ihre Teams holten, um ihrem Spiel den nötigen Feinschliff zu verpassen, weiter auf Toplevel mithalten zu können. Doch geht das Konzept auf? Lendls große Stärke ist, dass er zu Gunsten des Erfolgs seines Schützlings sein eigenes Ego komplett zurücknimmt. Schaffen es Becker und Edberg ebenfalls, sich mit der Rolle als zweite Geige hinter ihren Chefs abzufinden?
Edberg dürfte das dank seines ruhigen, zurückhaltenden Charakters und seiner offiziellen Jobbezeichnung leichter fallen als dem das Rampenlicht liebenden und permanent nach öffentlicher Bestätigung suchenden Deutschen. Anders als Becker bei Djokovic fungiert der Schwede im Team Federer schließlich nicht als Chefcoach - diesen Job hat weiter Severin Lüthi inne - er ist lediglich Berater. "Er will neue Sachen ausprobieren. Die Idee ist, dass ich ihm Feedback gebe und meine Sicht mit einbringe", erklärte Edberg dem Svenska Dagbladet seine Aufgabe.
Für Federer scheint der Schwede der perfekte Mann zu sein. Edberg weiß, wie man trotz enormer Rückenprobleme erfolgreich Tennis spielen kann und er wird Federer mit Tipps für einen effektiven Kick-Aufschlag, aber vor allem bei der Verbesserung seines Returnspiels eine große Hilfe sein. Edberg verstand es in seiner aktiven Zeit dagegen meisterhaft, seine Gegner mit beständigem Wechsel aus Slice, Spin, longline oder cross immer wieder vor neue Aufgaben zu stellen. Die Variabilität hatte Federer in der letzten Saison zu oft vermissen lassen und seinen Gegnern zu selten Überraschungsmomente geboten.
Becker für Djokovic eine Art Mentalcoach
Beckers Schwerpunkt als "Headcoach" von Djokovic wird dagegen vor allem in der Spielanalyse und den mentalen Aspekten liegen. Er wurde vor allem als Coach für den Kopf verpflichtet. Seine Fähigkeiten in der psychologischen Kriegsführung und Gegner-Einschüchterung bei Big Points und in engen Situationen waren zu seiner aktiven Zeit legendär. Wenn es auf dem Platz galt, war er meistens zur Stelle und schaffte es, sich auch aus scheinbar aussichtslosen Siuationen noch zu befreien.
Genau davon würde sich Djokovic gerne eine Scheibe abschneiden. "Becker ist ein legendärer Spieler, der mir hilft, besser zu verstehen, was ich in besonderen Situationen zu tun habe", erläuterte der Serbe das vermeintlich letzte Puzzlestück, das nötig ist, um die Vorherrschaft von Rafael Nadal endlich zu brechen. Im letzten Jahr stand er in einem Grand Slam-Halbfinale und drei -Endspielen, gewann aber nur eines. Zweimal war ihm der Spanier in großen Matches - vor allem auch mental - überlegen und thront nach einer Topsaison 2013 wieder vor ihm auf Platz 1 der Weltrangliste.
Edberg und Becker Experten für Offensivspiel
Die mentale Seite wird auch für Federer eine Rolle bei der Edberg-Verpflichtung gespielt haben. Von der Arbeit mit seinem großen Jugendidol verspricht er sich neben jeder Menge Inspiration auch noch einmal neue Motivation, um nach dem enttäuschenden Jahr 2013 in 2014 allen Unkenrufen zum Trotz doch noch einmal die Weltspitze zu attackieren und vor allem noch einmal ein Grand Slam-Turnier zu gewinnen. Genau wie Murray bei Lendl wird auch er Edberg nicht enttäuschen wollen.
Aber noch ein weiterer Aspekt wird sowohl in Federers als Djokovics Erwägungen wichtig gewesen sein, gerade zwei Vertreter des aggressiven Angriffstennis der 80er Jahre ins Boot geholt zu haben. Schließlich gibt es Überlegungen auf der Tour, den über die letzten Jahre immer langsamer gewordenen Sport durch neue Bodenbeläge wieder schneller zu machen. Das würde zwar keine komplette Rückkehr zum alten Serve-and-Volley bedeuten, doch der Trend könnte endlich wieder mehr in Richtung Offensive gehen und die Ballwechsel deutlich verkürzen.
Das wären gute Nachrichten für Federer, dem sein fortgeschrittenes Alter gerade bei den langen Rallys mittlerweile sichtlich zu schaffen macht. Kürzere Punkte setzen aber auch den regelmäßigen Drang zum Netz und exzellentes Volleyspiel voraus - wer könnte ihm da bessere Tipps geben als der vielleicht beste Volleyspieler aller Zeiten, Stefan Edberg? Kürzere Ballwechsel wären vielleicht auch für Djokovic ein Mittel gegen Nadals Dominanz. Der Spanier liebt es schließlich, sein "Spiel strategisch aufzubauen und langsam aus der Defensive in den Angriff überzugehen", wie er kürzlich auf einer Pressekonferenz erklärte.
Lendl, Edberg, Becker - wer gewinnt den Stellvertreterkrieg?
"Keiner der beiden wurde verpflichtet, um die Vor- oder Rückhand umzubauen", glaubt Ex-Australian Open-Champ Johan Kriek laut theaustralian.com. "Aber sicher werden sie beim Thema Volley einiges bewirken, die Beweglichkeit ihrer Schützlinge schulen und ihnen beibringen, wann der richtige Moment gekommen ist, um den Gegner mit einem Netzangriff zu überraschen." Sehr wahrscheinlich, dass sich die Serve-and-Volley und Chip-and-Charge-Momente in den Matches der beiden zukünftig häufen werden.
Ob Djokovic und Federer allerdings letztlich ebenso von den Ideen ihren Mentoren profitieren werden wie Murray, bleibt abzuwarten. Die Vorbedingungen machten es Lendl sicherlich einfacher. Er fing mit Murray sozusagen bei Null an, Federer und Djokovic waren bzw. sind dagegen bereis zahlreich dekorierte Champions.
Sicher ist nur, dass die Aufmerksamkeit für den Tennissport durch die Rückkehr von Becker und Edberg in jedem Fall steigen wird. Vor allem für Becker ist es die Chance, seinen Ehrgeiz und Drang nach Aufmerksamkeit endlich wieder in seinem vertrauten Metier ausleben zu können und sich wieder mit den ärgsten Rivalen von einst zu messen. Der Stellvertreterkrieg mit Lendl und Edberg ist eröffnet und der Trashtalk via Twitter ebenso. Murray führte bereits den Hashtag #mycoachisbetterthanyoursnanananana ein. Die Australian Open können beginnen.