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Spielmanipulierer einfach mal verkloppen
Deswegen ist Osvaldo allerdings weder "verrückt", noch hat er einen "Scheiß-Charakter", wie er selbst etwas provozierend erklärte, sondern immer noch permanent entweder auf der Suche nach oder auf der Flucht vor sich selbst. Er reflektiert wie ein Erwachsener, macht sich viele gute Gedanken über die Schattenseiten des Ruhms oder auch um gesellschaftliche Probleme wie Homosexualität im Fußball, handelt aber gleichzeitig am liebsten pragmatisch und intuitiv wie ein Kind. Mitspieler, die er bei Spielmanipulationen erwischt, würde er ganz einfach "verkloppen". Provokationen auf dem Platz beantwortet er ähnlich, wie neun Platzverweise in den letzten sechs Saisons bestätigen.
"Ich mache unsinnige Fouls, die mir aber in dem Moment völlig gerechtfertigt erscheinen", gestand er der Repubblica. Erst unter der Dusche kommt dann langsam die Einsicht. Aber schließlich sei er nicht der einzige der Fehler mache, nur müsse er sich im Gegensatz zu Medien und Fans dafür ständig rechtfertigen. "Nur weil sie Eintritt bezahlen, dürfen sie sich noch lange nicht alles erlauben. Ich verliere einen Ball und dann kotzt du mir deinen Hass entgegen? Das ist nicht normal", haderte er in GQ. "Wenn einer der Fans in seinem Job Fehler macht, darf ich dann dafür auch hauen, ihn mit Bananen bewerfen oder seine Mutter beleidigen?"
Der Wunsch nach Ruhe und Beständigkeit
Mit diesen Widersprüchen, aber auch der in Rom allgegenwärtigen Verehrung der Fans kann Osvaldo nur ganz schwer umgehen. Eigentlich würde er gerne ein ganz anderes Leben führen, vielleicht als Musiker oder Schriftsteller. In seiner Freizeit schreibt er Gedichte und Songs. Dann könnte er vielleicht auch wieder unbehelligt durch die Straßen laufen und wie einst in Barcelona mit einem Freund unerkannt auf einem öffentlichen Platz sitzen und ein bisschen auf der Gitarre klampfen, seine verlorene Freiheit wiedererlangen.
Doch gerade der Fußball gibt Osvaldo den benötigten Halt, ist einerseits Verbindung zu seiner verlorenen Jugend und andererseits das Ventil, mit dem er seine Unsicherheit und angestauten Selbstzweifel zumindest für 90 Minuten abstellen kann. Nur dann habe er innere Ruhe, dann hat sein Leben eine Ordnung, die er sich auch für sein Leben wünschen würde: "Eigentlich träume ich davon nur eine Frau zu lieben, eine Familie zu haben und an einem Ort sesshaft zu werden." Die bittere Realität sieht allerdings anders aus: Drei Kinder hat er von zwei Frauen, keins lebt bei ihm.
Doch die gewünschte Ruhe wird sich bei Osvaldo wohl erst dann einstellen, wenn er den wilden, umtriebigen Piraten in sich selbst gezähmt haben wird. "Ich muss erwachsen werden, ja. Aber das muss ich meinem Unterbewusstsein erst beibringen", gibt er zu. Dazu scheint er derzeit auf einem guten Weg zu sein. Die Roma ist der erste Club, in dem Osvaldo nicht nach einer Saison die Biege macht, sondern eine zweite bestreitet. Sollte er tatsächlich langsam erwachsen werden?