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Jagdszenen auf der Lohmühle
Das wirft die Frage auf, welche Strategie die Akteure im deutschen Fußball grundsätzlich im Umgang mit Fans, Gewalt und Pyrotechnik verfolgen wollen. Dieses Thema ist nicht einmal nur auf den Profifußball beschränkt. Am Wochenende vor den Zelten von München prügelten Ordner des "Lübecker Wachunternehmen Dr. Kurt Kleinfeldt GmbH" beim Regionalligaspiel VfB Lübeck gegen Victoria Hamburg auf eine Gruppe von etwa fünfzehn Auswärtsfans ein, weil einer von diesen eine Wunderkerze entzündet hatte.
Nach einigen Tumulten und dem schließlich deeskalierenden Eingreifen "szenekundiger" Polizeibeamter konnten schwerere Verletzungen verhindert werden und die Anhänger das Spiel zu Ende verfolgen. Die kleine Episode mag man zwar auf das Agieren übermotivierter privater Security-Ordner zurückführen.
Aber die Absicht, notfalls mit körperlicher Gewalt vorzugehen, um eine vermeintliche Regelübertretung zu ahnden, die weder das Spiel beeinträchtigt hatte noch das Stadionerlebnis der anderen 900, in anderen Blöcken des Stadions stehenden und sitzenden Zuschauer tangiert hatte, führt ebenso genau auf die Frage zu, die wir diskutieren wollen, wie die Kontrollen von München.
Ungeachtet der Tatsache, dass selbst fünfjährige Kinder im Alltag mit Wunderkerzen herumlaufen dürfen, gibt die Stadionordnung des VfB Lübeck dem Sicherheitspersonal im Prinzip das Recht, gegen Wunderkerzen als "Pyrotechnik" vorzugehen. Im Rahmen dieses Vorgehens ist es grundsätzlich auch denkbar, Zuwiderhandlungen mit Stadionverweis zu ahnden. Es geht also nicht darum, dass ein solches Vorgehen der Ordner "illegal" wäre. Das ist es mitnichten. Im Fall der Zelte von München hingegen könnten theoretisch Grundrechtsfragen berührt sein, aber wir wollen hier keine juristische Debatte führen, sondern eine Frage des praktischen Umgangs aufwerfen: Wozu macht man das alles?
Auch, wenn im deutschen Fußball zahlreiche Akteure ihre mehr oder minder legitimierte Vorstellung davon äußern oder umsetzen, wie man mit Fans umgehen sollte und es keine Verschwörung gegen die Anhänger gibt, bei der alle an einem Strang ziehen, lassen sich dennoch zwei große, voneinander klar unterscheidbare Strategien skizzieren.
1) Regelbrecher durch Konfrontation und Repression isolieren
Man könnte vor allem in der Frage der Pyrotechnik zu dem Schluss kommen, dass alle "kompromisslosen" Ansätze von DFB, DFL, Vereinen und Politik bisher nicht zielführend waren. Das heißt aber nicht zwingend, dass sie auch in Zukunft nicht funktionieren, also versuchen wir einmal, diese Strategie so erfolgsorientiert wie möglich zu beschreiben.
Im Großen und Ganzen folgt man hier der Rede von den "echten" und den "sogenannten" Fans. Diese Floskel ist schon einige Jahrzehnte alt, aber was sie will, ist wohl immer noch klar: Sie will behaupten, dass Menschen, die Gewalt im Umfeld von Fußballspielen verüben, Pyrotechnik gebrauchen, die Werbebanden verhängen oder Dietmar Hopp beleidigen, eigentlich nicht zur Gruppe der Fans gehören.
Der echte Fußballfan will demnach nur das Spiel sehen, seine Mannschaft mit rechtlich nicht anfechtbaren Gesängen anfeuern und eine schöne Zeit mit Familie und Freunden haben. Jede Form von Regelübertretung gehört so gesehen nicht zum Fußball dazu, sondern muss von ihm ausgemerzt und abgegrenzt werden. Nun gibt es ja aber eine Vielzahl solcher Verstöße. Geht man gegen sie "mit aller Härte" vor, wie es Polizeigewerkschaften und Innenpolitiker gerne fordern, könnte man - im Idealfall - so viel Druck auf die Fanszene erzeugen, dass die "Mitläufer" sich von den wirklichen "Problemfans" distanzieren - damit sie in Ruhe gelassen werden.
Wenn diese Null-Toleranz-Strategie klappen würde, würde die große Mehrheit der Fans eine kleine Minderheit für alle Repressionsmaßnahmen verantwortlich machen und so eine "Selbstreinigung" der Fanszene herbeiführen.
Als Fazit der meisten in diese Richtung gehenden Maßnahmen muss man bisher allerdings sagen, dass sie höchstens in Ansätzen funktionieren. Ein Rückgang etwa des Gebrauchs von Pyrotechnik lässt sich in deutschen Stadien wohl nicht feststellen. Und auch wenn die Auseinandersetzungen rund um das Spiel Dortmund - Schalke im Oktober nicht "die schlimmsten Ausschreitungen der deutschen Fußballgeschichte" waren, wie der Spiegel befand, der von den Todesfällen Adrian Maleikas und Mike Polleys noch nie gehört hatte, so ist auch das Vorkommen von Gewalt im Umkreis des Fußballs zumindest nicht im Verschwinden begriffen.
Die Gegenposition gegen die hier von uns angedeutete "Es funktioniert nicht"-Argumentation wäre entweder: Es geht ums Prinzip, die Gesellschaft muss ihre Regeln um jeden Preis durchsetzen - immer wieder, auch wenn es nicht zum Verschwinden der Regelübertretungen führt. Oder: Dass es nicht funktioniert, liegt daran, dass nicht konsequent genug durchgegriffen, nicht hart genug bestraft wird.