
In Deutschland wird Clubs oft die Existenzberechtigung ob fehlender Historie abgesprochen. Anzhi Makhachkala blickt auf eine Vergangenheit zurück, die 1991 begann. Seit der Übernahme durch den Milliardär Suleiman Kerimov 2011 ist der Kader mit Stars gespickt. Ein Porträt von sportal.de.
Fußball ist ein Geschäft, in dem es um Geld geht - viel Geld. Fußballromantiker finden ihr Heil zumeist nur noch in unterklassigen Ligen, wo der Amateurgedanke noch jedes Wochenende im Mittelpunkt steht. Bei den Clubs, bei denen die Spieler noch Mitgliedsbeiträge zahlen und ob des rauen Untergrunds eine Schwalbe eher kontraproduktiv für den Erhalt des Körpers ist.
Immer mehr Investoren drängen auf den Markt, wollen aus diversen Gründen als Strippenzieher im Fußball agieren. Beispiele gibt es genügend und auch in Russland ist der Markt attraktiv geworden. Suleiman Kerimov ist ein Oligarch, kommt aus der Republik Dagestan im Nordkaukasus - eine sehr gefährliche Gegend, worunter auch der Club Anzhi Makhachkala zu leiden hat.
In dieser Spielzeit tritt Anzhi Makhachkala in der Europa League an, liegt momentan, nach vier absolvierten Matches, auf Platz eins der Gruppe A. Bei Gegnern wie dem FC Liverpool, BSC Young Boys und Udinese Calcio eine reife Leistung - die Italiener sind dabei die nächste zu überspringende Hürde.
Anzhi Makhachkala: Gründung 1991 - Übernahme 2011
Anzhi Makhachkala wurde im Jahr 1991 ins Leben gerufen. Geburtshelfer war Magomed-Sultan Magomedov, der zuvor die Schuhe bei Dinamo Makhachkala geschnürt hatte und auf die Idee kam, einen eigenen Club zu gründen. Die Formalitäten waren in Rekordzeit eingeholt und so startete man in der Dagestan League, die man mit 16 Siegen aus 20 Spielen gewann.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR spielte Anzhi (Kumikisch: Perle) Makhachkala somit in der dritten Liga, durfte dabei auf die Dienste von Alexander Markarov bauen, der nach seinem Karriereende nochmals die Schuhe schnürte und - ein wenig abstrus - in der Saison zusammen mit seinem Sohn Mikhail auflief. In 13 Spielen schoss er immerhin elf Tore.
Bis zum Jahr 2011 erlebte der Club eine zwar nicht ruhige, aber auch nicht sonderlich spektakuläre Zeit. 1996 stieg man unter der Leitung von Coach Eduard Malafeev in die zweite Liga auf. Großen Anteil hatte Torjäger Ibragim Gasanbekov, der in den Jahren 1993 (30 Tore) und 1996 (33 Tore) zum besten Schützen der Liga avancierte.
Die Nummer 11 wird bei Anzhi Makhachkala nicht mehr vergeben
Der Stürmer war Inhaber der Nummer 11 und erzielte in 236 Spielen stolze 156 Tore für Anzhi. Tragischerweise erlag Ibrashka, wie er von Fans und Kollegen genannt wurde, im Jahr 1999 nach einem Autounfall seinen Verletzungen. Seine Rückennummer wird seit diesem Tag nicht mehr vergeben und in Erinnerung behalten.
Im selben Jahr überraschte Anzhi Makhachkala unter Trainer Gadzhi Gadzhiev, der als Assistenztrainer 1988 bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille mit der UdSSR gewann, die komplette Liga. Mit relativ unbekannten Spielern realisierte man durch einen 1:0-Erfolg im letzten Ligaspiel den Aufstieg in die Premier League.
Ohne große Veränderungen im Kader und mit nur einer Heimniederlage gegen Spartak Moskau stand Anzhi im Jahr 2000 dann kurz davor, einen weiteren Meilenstein in den Boden Makhachkalas zu hauen. Zwei Dinge gingen jedoch schief und verhinderten die Arbeit des Steinhauers. Ein Remis im letzten Match gegen Torpedo Moskau hätte gereicht, um Platz drei in der Liga zu erreichen.
Schiedsrichter, politische Lage und das verlorene Elfmeterschießen
Ein umstrittener Elfmeter in der Schlussphase machte den Traum zunichte und Anzhi musste in die Qualifikationsspiele zum UEFA Pokal. Die Glasgow Rangers stellten daraufhin den Antrag, ob der angespannten politischen Lage nicht in Makhachkala spielen zu müssen. Wegen der Sicherheitsbedenken beschloss die UEFA, nur ein Spiel auf neutralem Platz auszutragen.
Dies fand in Warschau statt und die Rangers gewannen glücklich mit 1:0. Sechs Minuten vor Ende des Matches traf Bert Konterman, dessen Schuss noch abgefälscht wurde, zum Sieg. Als Sahnehäubchen verlor Anzhi Makhachkala dann noch das Pokalfinale gegen Lokomotive Moskau nach Elfmeterschießen.
Um die Pechsträhne konsequent weiterzuführen, stieg das Team zwei Jahre später (2002) wieder in die zweite Liga ab und es dauerte Jahre, bis die Rückkehr ins Oberhaus realisiert werden konnte. Erst 2009 gelang der erneute Aufstieg und drei Jahre später kam es zum großen Umbruch und dem Erreichen des nächsten Levels - Suleiman Kerimov übernahm den Club.
Suleiman Kerimov übernimmt Anzhi Makhachkala
Der Oligarch kommt aus der Region und durfte den Verein kostenlos übernehmen. Einzige Vorgabe war, in Spieler und Stadion zu investieren - zudem forderte der neue Trainer Guus Hiddink (Anfang 2012 verpflichtet) eine Jugendakademie. Das Stadion soll gebaut, der Kader aufpoliert werden. Roberto Carlos kam, Samuel Eto´o oder Yuri Zhirkov wurden mit exorbitanten Gehältern gelockt.
Auch soll ein neues Stadion als Standort für die WM 2018 gelten. Allerdings wussten nicht nur die Rangers, dass Makhachkala eine Krisenregion ist. Fast jeden Tag werden aus Dagestan Tote bei Anschlägen oder Schießereien zwischen islamistischen Untergrundkämpfern und Sicherheitskräften gemeldet, berichtete einst die FAZ.
Ohnehin erscheint es suspekt, dass Millionen in Spieler und Umfeld fließen, während ansonsten die Armut regiert und man in der Region auf permanente Staatshilfe angewiesen ist. Die Spieler bekommen ihrerseits hie und da kleine Geschenke von Kerimov. So freute sich Roberto Carlos zu seinem 38. Geburtstag über einen Bugatti Veyron mit 1200 PS im Wert von 1,8 Millionen Euro.
Anzhi Makhachkala: 1500 Kilometer bis zum Heimspiel
Die finanziellen Unterschiede gepaart mit der fehlenden Sicherheit sind ein Grund, warum lediglich die Heimspiele in Makhachkala ausgetragen werden. Man wohnt und trainiert in Kratovo/ Moskau - 1500 Kilometer entfernt. So ist es kein Wunder, dass der Club auf einer Skala der beliebtesten Vereine nicht auf Platz eins rangiert. In Kratovo hatte übrigens auch Sergei Prokofiev (Peter und der Wolf) eine Dacha.
Der russische Fußball brauche kein Gelage in Zeiten der Pest, wird Sergej Stepashin, der Präsidenten des russischen Rechnungshofes, bei der FAZ zitiert. Das Engagement von Kerimov wird aber auch abseits der Transferausgaben kritisch beäugt. Dabei fiel Ex-Coach Gadzhiev Gadzhi negativ auf, als er 2011 im Spiel gegen Dynamo Moskau die Tür zur Schiedsrichterkabine eintrat.
In Halbzeit zwei profitierte Anzhi daraufhin von einigen Entscheidungen der Unparteiischen. Weiter wird berichtet, dass sich Volga N. Novgorod im selben Jahr erstaunlich passiv einer Niederlage ergab und Lokomotive Moskau im Duell mit einer sehr überraschenden Aufstellung eine Pleite kassierte. Deren Trainer Yury Krasnozhan wurde wegen mutwillig schlechter Aufstellung entlassen.
Suleiman Kerimov und Diskussionen um Spielmanipulationen
Wie der Blog Unser Dach auf sueddeutsche.de berichtet, bekam Krasnozhan seinen nächsten Job bei dem Verband, der diese Vorwürfe nicht näher beleuchtete. Danach heuerte er bei Anzhi an. Warum der Verband nichts unternommen hat? Hier heißt es bei der FAZ, dass es an dem Konzern Uralkali liege, der alle russischen Fußball-Nationalmannschaften sponsort.
Und nun raten Sie, wer zu der Zeit die Aktienmehrheit des Unternehmens hielt Richtig, es war Clubbesitzer und Oligarch Suleiman Kerimov. Dieser musste beim Finanz-Crash, dem auch Lehman Brothers zum Opfer fiel, deutliche Verluste hinnehmen und fiel in der Forbes-Liste von Platz 35 auf Platz 196.
Es reicht aber noch, um Eto'o mit fürstlichen 20 Millionen Euro im Jahr zu entlohnen und dessen Penthouse in Moskau mit einem TV auszustatten, dessen Bilddiagonale satte drei Meter beträgt. Der englische Independent spekuliert, dass ein Autounfall im Jahr 2008 für Kerimov den Ausschlag gegeben hat, seine Heimat mit den Milliarden wieder aufzubauen.
Ein neues Stadion soll kommen
Immerhin soll die neue Arena mit einem Fassungsvermögen von 45.000 Plätzen bald ein neues Zuhause bieten. Seit dem 22. Juli 2003 spielt Anzhi im Khazar Stadium (27.000 Plätze), zuvor wurden die Himspiele von Anzhi im Dinamo Stadium (15.200 Plätze) ausgetragen. Wegen der Sicherheitsbedenken musste der Club sich für die Europa League aber nach einer Alternative umsehen.
Auch, wenn die neue Arena irgendwann ihre Pforten öffnen wird, dürften die Bedenken der UEFA weiter Bestand haben. Momentan muss Anzhi Makhachkala seine Heimspiele im Stadion von Lokomotive Moskau austragen. Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, den Club in der nächsten Saison in der Champions League zu sehen. Der Weg führt steil nach oben.
2010 war Anzhi auf Platz elf gelandet, in der vergangenen Saison nach Abschluss der Meisterrunde stand Platz fünf zu Buche. Es wird in die Jugend investiert und zudem werden zur neuen Saison sicherlich einige Stars an Land gezogen. Ob der Club aber jemals im eigenen Stadion als Gastgeber auftreten wird? Der Independent schrieb passenderweise: Liverpool and all the other great Clubs of Europe will never visit it, but it has certainly been a theatre of dreams - strange dreams.