
Mit Horst Wohlers brauchen wir Jens Keller nicht zu kommen. Anders als St. Pauli 1991 konnten die Keller-Knappen in München nichts holen. Ihm droht aber eine Wiederholung der eigenen Geschichte. Für Fürth ist es dagegen schon pitchblack, während Sir Alex schwarz malt.
1) Wird die Bundesliga jemals vernünftige Spielpläne haben?
Am Freitag haben wir uns über die Einbettung des Bundesliga-Spielplans in den internationalen Spielkalender aufgeregt. Manchester United Coach Sir Alex Ferguson gehört zu den regelmäßigen Lesern unserer Seite und griff die Diskussion um den Spielplan prompt auf. "Die Premier League macht die TV-Verträge und hat die Kontrolle, aber sie geben unseren Teams nicht die Möglichkeit, in Europa erfolgreich zu sein", schimpfte Ferguson. Hintergrund: Manchester United musste am Sonntag gegen Everton ran, während Champions League-Gegner Real Madrid am Samstag spielen durfte.
"Es ist lächerlich, dass wir am Sonntag spielen und Real Madrid einen Tag mehr Pause hat." Dazu käme die Reisezeit nach Madrid. "Das ist einfach nicht fair. In Frankreich spielen sie Freitagabend. Warum nicht auch bei uns? Womöglich weil sie hier mehr Geld aus den TV-Verträgen herausholen können. Aber was sollen wir machen? Nicht antreten? Das würde ich ehrlich gesagt gerne mal machen", beschwerte sich Ferguson. Tatsächlich trat Paris St. Germain am Freitagabend gegen Bastia an, bevor die Franzosen am Dienstag in Valencia spielen müssen.
Schauen wir uns dagegen die Torturen der deutschen Europa League-Teams an: Im Februar müssen Leverkusen (eineinhalb Tage nach Benfica gegen Augsburg), Mönchengladbach (eineinhalb Tage nach Lazio beim HSV), Stuttgart (eineinhalb Tage nach dem Auswärtsspiel in Genk gegen Nürnberg) und Hannover (eineinhalb Tage nach Anzhi Makhachkala beim HSV) krasse Wettbewerbsnachteile hinnehmen. Da wirkt das Gejammer von Ferguson wie Klagen auf hohem Niveau. Verständlich ist es dennoch.
2) Düstere Wolken über Fürth
Die zweite Frage an den 21. Spieltag behandelte den Liganeuling und leuchtenden Stern am Rote-Laternen-Himmel Greuther Fürth! Sind die Mittelfranken besser als die ewige Bundesliga-Lachnummer Tasmania Berlin? Bezieht man sich, wie Kollege Daniel Raecke, auf die erzielten Tore vor eigenem Publikum, stehen die Fürther den Berlinern von 1965/66 in ihrer Harmlosigkeit in nichts nach.
Vier Tore hatte das Berliner Team um Stürmer Wulf-Ingo Usbeck bis zum 21. Spieltag geschossen. Vier Tore konnte auch das Lieblingsteam von Henry Kissinger bis dato erzielen. Nur Hertha BSC Berlin war mit nur drei Heim-Treffern in der Spielzeit 1990/91 noch schlechter. Am vergangenen Wochenende demonstrierten die Kleeblätter erneut ihre Harmlosigkeit.
Asamoah, Djurdjic und Co. erschienen wieder einmal mit einem Messer zu einer Schießerei. So schnitten sie sich zwar regelmäßig den Weg in den Strafraum frei, doch von 16 Versuchen in Richtung Diego Benaglio kamen nur drei Bälle auf das Tor (Quelle: whoscored.com). Wolfsburg versuchte sich sechs Mal weniger, traf einmal mehr und nahm die drei Punkte dankend mit.
Pitchblack heißt es im Englischen, wenn es so dunkel ist, das man nicht einmal mehr die eigene Hand vor Augen sehen kann. Ob die Lage für die Kleeblätter ähnlich düster ist? Schaut man sich den Punktestand an, dann entspringt dem historischen Vergleich kein Funke der Hoffnung. 12 Punkte hat das Büskens-Team nach 21 Spieltagen auf der Habenseite. Schlechter oder gleich schlecht waren immerhin sieben Clubs in der Geschichte der Bundesliga (auf das Drei-Punkte-System umgerechnet).
Alle sieben Mannschaften (Hertha 09/10 und 90/91, Arminia Bielefeld 99/00, BW 90 Berlin 86/87, WSV 74/75, Tasmania 65/66 und Saarbrücken 63/64) gehörten am Ende der Saison zu den Absteigern. Aus einer derart hoffnungslosen Lage konnte sich also noch nie ein Club befreien. Hoffnung könnte die Abwehr der Fürther geben. Mit 35 Gegentoren haben die Kleeblätter die beste Defensive der Tabellenletzen nach 21 Spieltagen in unserem historischen Vergleich.
In der Bundesliga gibt es aktuell vier Teams, die mehr Gegentore als Fürth kassiert haben (Hoffenheim, Stuttgart, Hannover, Bremen). Schalke 04 hat genauso viele Gegentore wie Fürth bekommen. Es wird einmal mehr deutlich: Vorne drückt der Schuh. Fürth hat mit nur 13 Toren nach Tasmania Berlin (9 Tore) die schlechteste Trefferquote unserer Tabellenletzten. Ein Königreich für einen Knipser.
3) Das 59-Tage Déjà-vu
Wir fragten am Freitag, ob Jens Keller sein persönliches "Horst Wohlers-Deja-Vu" in München erleben würde? Das ist einfach zu beantworten: NEIN! Der FC St. Pauli konnte 1991 unter Trainer Wohlers in München gewinnen, stieg aber dennoch am Ende der Saison ab. Jens Kellers Schalker waren am Samstag in München nicht einmal nah dran, das Spiel zu gewinnen. Trotzdem sollten die Schalker mit dem Abstieg nichts zu tun haben.
In einer Formkrise befinden sich die Knappen offensichtlich dennoch. Der qualitativ sehr gut besetzte Kader ruft derzeit nicht annähernd seine Form ab. In München wirkte die Schalker Mannschaft wie ein Häufchen Elend. Als ob sie einem kollektiven Sterbefall in der Familie zu verdauen hatten. Die Heimniederlage gegen den Tabellenletzten aus Fürth hat sich wie Blei auf die Schultern der Spieler gelegt.
Aus dieser Abwärtsspirale der kollektiven Verunsicherung kommt eine Mannschaft meist nur durch schnelle Erfolgserlebnisse, oder eine Art Re-Start für alle, also einen Neuanfang durch einen neuen Trainer, heraus. Für Horst Heldt kommt die zweite Möglichkeit derzeit nicht in Frage. "Es bleibt so, wie wir es vorher gesagt haben: Jens Keller bleibt auf jeden Fall bis zum Saisonende unser Trainer", sagte Heldt bei Sky.
Das Problem scheint gerade in dieser Übergangslösung zu stecken. Die viel zu hektische Entlassung von Huub Stevens ist aufgrund der intern vermuteten Gründe für die Fans und Öffentlichkeit gerade Wochen danach schwer nachvollziehbar. Einen gleichwertigen Ersatz konnte Horst Heldt in der Kürze der Zeit nicht präsentieren.
Die angeblichen Wunschkandidaten Thomas Tuchel (Mainz), Armin Veh (Eintracht Frankfurt) oder Roberto Di Matteo (ehemaliger Chelsea-Coach) waren im Winter nicht verfügbar. Daraufhin installierte Heldt einen Übergangstrainer, der auf Bewährung arbeitete. Durch den Fehlstart gegen Mainz und dem nicht vorhandenen Stallgeruch büßte Keller jeglichen Welpenschutz früh ein. Durch sein mäßiges Abschneiden als Übergangstrainer beim VfB Stuttgart (9 Spiele/ 9 Punkte) wurde er von Beginn an kritisch gesehen. Nach nur 59 Tagen ging Keller im Winter 2010 als Übergangstrainer in die Geschichte des VfB ein.
Auf Schalke braucht Keller nun Erfolge. Die Knappen treten als nächstes auswärts gegen Mainz 05 und Galatasary Istanbul an. Zwei Spiele, die entscheiden werden, ob die Mannschaft einen Neuanfang braucht, oder die Übergangsidee mit Keller doch noch fruchtet. Am Ende hat Jens Keller zwar nicht das "Horst Wohlers-Déjà-vu" erlebt, aber vielleicht ereilt ihn das Déjà-vu seiner eigenen Geschichte. Als Übergangstrainer in der Bundesliga.