Bayer Leverkusen hat endlich einmal einen "Großen" geschlagen. Die verbale Attacke von Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp verdarb jedoch etwas die Freude. Die Werkself kritisierte ihn als "schlechten Verlierer".
Rudi Völler wartete nach der endlich einmal bestandenen Reifeprüfung vor dem Spielertunnel und herzte jeden seiner Helden innig. So ausgelassen, stolz und fröhlich wie nach dem 1:0 (1:0) bei Borussia Dortmund hatte man den Sportchef von Bayer Leverkusen selten gesehen. Doch als er von der unnötigen Verbal-Attacke des BVB-Trainers Jürgen Klopp erfuhr, gefror das Dauerlächeln des früheren DFB-Teamchefs mit einem Schlag.
"Auch ein Jürgen Klopp hat das Recht, mal ein schlechter Verlierer zu sein", sagte Völler, bissig, aber doch kontrolliert und wohl überlegt. Genau wie seine Spieler, die den Dortmunder Angriff ähnlich wie in den hitzigen 96 Minuten zuvor forsch, aber doch souverän pariert hatten. "Wahre Größe erkennt man in der Niederlage", sagte Kapitän Simon Rolfes. Der Sechs-Punkte-Rückstand auf Bayer sei auch auf deren drei Zähler in Hoffenheim zurückzuführen, hatte Klopp zuvor gesagt. Bei 1899 hatten die Leverkusener bekanntlicherweise auch dank des "Phantomtors" von Stefan Kießling 2:1 gewonnen.
Wollscheid fassungslos nach Klopp-Aussage
Innenverteidiger Philipp Wollscheid schüttelte erst einmal fassungslos den Kopf, als er mit Klopps Aussage konfrontiert wurde. "Auf dieses Niveau bewege ich mich nicht", sagte er dem SID: "So etwas muss er nicht sagen. Und ich bin sicher, dass er das auch schon morgen bereuen wird." Völler erklärte zwar, er nehme Klopp den Schlechte-Verlierer-Spruch "nicht übel, weil ich weiß, dass er immer mit Herzblut dabei ist. Aber ich habe auch schon 50.000 Mal betont, dass wir zum Zeitpunkt des Phantomtors in Hoffenheim 1:0 geführt haben."
Mit diesem Ergebnis gewannen die Rheinländer durch das Tor von BVB-Schreck Heung-Min Son (19.) - der Südkoreaner hatte schon im Vorjahr insgesamt vier Tore gegen die Dortmunder erzielt - auch das Duell der beiden besten deutschen Mannschaften nach dem Triple-Gewinner Bayern München. Und angesichts des nun deutlichen Vorsprungs auf die Westfalen sagte Matchwinner Son sogar dem Branchenprimus den Kampf an. "Dortmund ist stark. Aber jeder kann sehen, wer auf Platz zwei steht", sagte er: "Die Bayern sind nur vier Punkte weg. Da wollen wir noch ran."
Breite Brust nach Sieg gegen den BVB
Ob die Werkself wirklich mit den Bayern Schritt halten kann, ist fraglich. Doch der Sieg am Samstag sorgt zumindest für eine breite Brust. "Hut ab! Endlich haben wir einmal die Chance genutzt, ganz Deutschland zu zeigen, was wir können", sagte Völler, nachdem seine Spieler in einer eigentlich starken Saison bei allen Härteprüfungen - zwei Mal gegen Manchester United, gegen die Bayern und auf Schalke - zu Angsthasen mutiert waren.
"Diesmal sind wir in einem Spitzenspiel als Spitzenmannschaft aufgetreten", betonte der 53-Jährige: "Das war ein ganz wichtiges Spiel für uns. Wegen der Punkte. Aber vor allem wegen der Art und Weise, wie wir aufgetreten sind. Wir haben so gespielt, wie ich mir das gegen die Großen wünsche. Die erste Halbzeit war mit das Beste, was wir je gespielt haben." Kießling sprach von "einem Sieg, der gut tut. Man kann schon von einer Reifeprüfung sprechen."
Auch Kapitän Rolfes war hochzufrieden mit seinem Team. "Wir sind als Zweiter hergekommen. Und wir fahren als Zweiter mit noch mehr Punkten weg", sagte er und legte die 0:5-Blamage gerade einmal zehn Tage zuvor gegen Manchester United endgültig zu den Akten. "Wir haben vor zwei Jahren gegen Chelsea gewonnen, die in diesem Jahr Champions-League-Sieger wurden. Wir haben im letzten Jahr bei den Bayern gewonnen, die am Ende die Champions League gewonnen haben. So gesehen war Manchester eher die Ausnahme als die Regel", versicherte er.
Den Reifeprozess bestätigen muss Bayer aber am Dienstag, wenn es bei Real Sociedad San Sebastian ums Weiterkommen in der europäischen Königsklasse geht. "Aber wer in Dortmund gewinnt", sagte Jens Hegeler, "der kann auch in San Sebastian gewinnen."