
Ha! Mainz gegen Nürnberg. Endlich mal wieder so richtig über die Bundesliga lästern, oder? Ein Festtag für unsere Redakteure, denen das Wasser schon im Munde zusammenlief bei der Aussicht, das graue Mittelmaß der Liga zu zerreißen. Doch erstens kam es anders, ...
Wenn Sie regelmäßiger Leser unserer Spielberichte sind, dann wissen Sie, was Sie normalerweise von so einem Artikel am Freitagabend erwarten können. Wir würden einsteigen mit einem Lamento über die Unattraktivität der Ansetzung Mainz gegen Nürnberg, gefolgt von Beleidigungen beider Städte und ihrer Mütter, bevor wir uns nach einem halbherzigen Eingeständnis, dass die DFL in Europacupwochen für ihre Freitagsspiele ja jeden Club nehmen muss, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, dann scheinbar dem Spielgeschehen zuwenden würden.
Dann aber kämen wir noch mal zurück mit der Forderung, die Freitagstermine ganz abzuschaffen, bevor dann ein paar kursorische und mürrisch zusammenformulierte Schilderungen der wichtigsten Spielszenen folgten. So hätten wir es auch heute gerne gemacht, und glauben Sie uns: Der entsprechende Artikel wäre gut geworden. Doch leider mussten wir feststellen, dass Mainz und Nürnberg ein richtig gutes Fußballspiel zeigten. Es kann also nicht schaden, Ihnen von diesem Spiel in nicht-herabwürdigender Weise zu erzählen.
Thomas Tuchel, der seine Grundformation häufiger wechselt als Mitt Romney seine politischen Überzeugungen, hatte sich heute Morgen vor dem Spiegel für ein 4-2-3-1 entschieden, in dem Junior Diaz als linker Außenverteidiger für Radoslav Zabavnik und Nikita Rukavytsya für Jan Kirchhoff in die Aufstellung kam. Dieter Hecking, der stoische Westfale, hatte in den letzten zwei Monaten nicht oft Anlass, die Devise "Never change a winning team" zur Anwendung zu bringen, machte daher nach dem Sieg gegen Wolfsburg umso emphatischer von ihr Gebrauch und schickte die gleiche Elf wie vor sechs Tagen auf den Rasen.
Mainzer 30 Minuten der Klasse entschieden das Spiel
Mainz zeigte sich in der ersten halben Stunde als klar besseres Team und setzte den Club mit schönem, direkten Spiel in die Spitze unter Druck. Das 1:0 nach einer knappen Viertelstunde war jedoch vor allem einer Verkettung Nürnberger Fehler geschuldet denn einer unwiderstehlichen Kombination. Widerstehen konnte zunächst Marvin Plattenhardt nicht, als Nicolai Müller praktisch aus dem Stand an ihm vorbeizog. Erst versuchte der Linksverteidiger noch, seinen Gegenspieler zu halten, dann fiel er immerhin so um, dass er im Liegen noch sehen konnte, wie Müller von der rechten Seite in Richtung Tor zog. Timm Klose stellte sich Müller als nächster entgegen, etwas halbherzig, aber dass Müller ihm durch die Beine schoss, war auch etwas Pech. Dass der Schuss in der langen Ecke des Nürnberger Tors einschlug, war schließlich Keeper Patrick Rakovsky anzulasten, der aus diesem Winkel eigentlich nicht hätte bezwungen werden dürfen.
Keine zehn Minuten später erhöhte der FSV auf 2:0, nach einem tollen Diagonalpass von Julian Baumgartlinger in den Lauf von Andreas Ivanschitz, der perfekt in die Schnittstelle gestartet war. Aus dieser kommend umkurvte er Rakovsky und hob den Ball, fast schon außer Balance geratend, mit dem linken Spann ins leere Tor. Klose kam im letzten Moment noch ins Bild gelaufen wie Evil Bert, konnte aber erneut nicht mehr entscheidend eingreifen.
Nun hätte Mainz normalerweise das Spiel schon gewonnen, hatte der FSV doch seit August im heimischen Stadion kein Gegentor mehr kassiert. Aber der FCN kam nun stark zurück ins Geschehen, was nicht zuletzt Hiroshi Kiyotake zu verdanken war. Der Japaner erzeugte noch vor der Pause gleich vier gefährliche Situationen. Zunächst flankte er perfekt auf Tomas Pekhart, der sich im Kopfballduell gegen Bo Svensson durchsetzte und den Ball knapp am Tor vorbeisetzte. Dann schoss er von halblinks selbst aus 20 Metern und erzwang mit seinem Geschoss, das genau in den rechten Winkel gepasst hätte, eine Glanzparade von Christian Wetklo, der übergriff und den Ball noch abwehrte, diesmal sogar anders als in Bremen eine Kollision mit dem Pfosten vermeiden konnte.
Kiyotake auffälligster Mann auf dem Platz
Aber Kiyotake hatte sich gerade erst warmgeschossen und -geflankt. In der 36. Minute brachte er mit der nächsten scharfen Hereingabe eine Doppelchance von Per Nilsson und Pekhart hervor, und schließlich trat er den Freistoß, den Nilsson in der 40. Minute unhaltbar für Wetklo zum 2:1 einköpfte. Einer dieser perfekten Kiyotake-Standards, die zu Saisonbeginn so oft zu sehen gewesen waren - der Ball kam von der Seitenauslinie exakt und scharf genau auf das lange Fünfmeterraumeck.
Nach der Pause war das Spiel nicht mehr ganz so hochklassig, sondern zunächst etwas zerfahrener, immer noch aber recht temporeich. Die besten Chancen hatte in den zweiten 45 Minuten Mainz: Ein Kopfball an die Unterkante der Latte von Jan Kirchhoff sprang von der Schulter des glücklichen Rakovsky wieder ins Feld, und ein weiterer Kirchhoff-Kopfball, der Rakovsky schon bezwungen hatte, wurde wegen Abseits von Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer nicht anerkannt - zu Recht.
Der Club gab sich nicht auf, kam aber gegen spätestens nach der Einwechslung von Eugen Polanski sehr kompakt stehende Mainzer nicht zu klaren Chancen. So ging der 2:1-Sieg, mit dem Mainz für einen Abend an Dortmund vorbeizog und nun auf Platz fünf der Bundesliga rangiert, am Ende in Ordnung. Die Mainzer müssen in einer Woche zum HSV, Nürnberg empfängt nach der Länderspielpause den FC Bayern. Das dann übrigens ohne Hanno Balitsch, der - schon ausgewechselt - auf der Bank seine fünfte Gelbe Karte wegen Meckerns sah. Wenn schon keine Punkte, so nahm der Club wenigstens schon jetzt den Titel "Trottel des Wochenendes" zurück nach Franken mit.