
Lutz Pfannenstiel ist der einzige Fußballer, der auf allen sechs Kontinenten als Profi gespielt hat. Beim am Samstag beginnenden Afrika-Cup in Südafrika weilt er in Doppelfunktion: Als Hoffenheim-Scout und als Experte des BBC World Service. Was er von dem Turnier erwartet, berichtet Pfannenstiel im Interview.
"Herr Pfannenstiel, TV-Experte und Scout, lässt sich das vereinen?"
Lutz Pfannenstiel: "Sehr gut sogar. Ich habe auf der Pressetribüne immer Bildschirme, um besondere Szenen nochmal in Zeitlupe sehen zu können. Und ich komme näher ran an die Spieler. Kann in die Mannschaftshotels, sehe, kann auch das Sozialverhalten der Spieler beurteilen."
"Undercover-Recherche entfällt damit aber..."
Pfannenstiel: "Das ist für mich in Afrika sowieso nicht möglich. Um unerkannt zu sein, müsste ich mich schon als 'Coco, der Clown' verkleiden. Umgekehrt kenne ich aber den afrikanischen Fußball auch besser als viele Afrikaner. Obwohl der Fußball hier schwer zu beobachten ist. Es gibt nämlich sechs Regionalverbände, die zusätzlich eigene Meisterschaften bestreiten. Norden, Osten, Westen, Zentral, Süden und das arabische Afrika. Und dann gibt es auch noch den CHAN-Cup, in dem nur Spieler auflaufen dürfen, die in der einheimischen Liga unter Vertrag stehen."
"Sie sind in verschiedenen Funktionen zum vierten Mal beim Afrika-Cup dabei, haben fast jedes Land des Kontinents bereist. Was erwarten Sie von diesem Turnier?"
Pfannenstiel: "Südafrika ist sicher ein guter Gastgeber. Die Infrastruktur ist gut, die Stadien sind top, die Wege sind kurz. Diesmal sind keine Skandale oder Turbulenzen zu erwarten. Die letzten beiden Turniere in Angola beziehungsweise in Gabun und Äquatorialguinea waren logistisch grenzwertig - eben typische Afrika-Cups. Es gab Mannschaftshotels, in denen es nicht einmal warmes Wasser gab. Am schlimmsten ist es, wenn Probleme politisch bedingt sind. In Angola wollte man der Welt zeigen, dass Frieden herrscht und ein Stadion in eine Rebellen-Hochburg gebaut. Da waren die Probleme progammiert, und sie sind mit dem Anschlag auf den Mannschaftsbus Togos ja am Ende sogar eskaliert."
"Spielt das Politische in Afrika auch in anderen Bereichen mehr rein als in anderen Teilen der Welt?"
Pfannenstiel: "Auf jeden Fall. Im arabischen Afrika leidet der Fußball derzeit zum Beispiel merklich unter der politischen Situation. Ägypten ist zum Beispiel Rekordchampion und hat eine der besten Mannschaften des Kontintens. Aber die Liga spielt immer noch nicht, und so hat sich Ägypten nicht einmal qualifiziert."
"Was sind ohne die Ägypter Ihre Favoriten?"
Pfannenstiel: "Ghana und die Elfenbeinküste sind natürlich stark. Aber die Mannschaft der Elfenbeinküste ist schon brutal alt. Für einen Scout ist sie deshalb überhaupt nicht interessant. Die meisten Spieler sind über 30 und spielen ohnehin schon in der Premier League. Mehr Beachtung kann man da Burkina Faso oder Mali schenken. Das sind sehr gute Mannschaft mit jungen Spielern. Ich persönlich bin auch ein großer Sambia-Fan. Und ich hoffe natürlich, dass Südafrika als Gastgeber eine gute Rolle spielt. Die Bedingungen dafür sind da: Die Trainingszentren sind die besten in Afrika, die Liga boomt, und im Verband hat man sich von Luftschlössern verabschiedet, dass man unbedingt namhafte Trainer aus dem Ausland verpflichten muss."
"Also gab es den großen Boom nach der WM 2010?"
Pfannenstiel: "Es gibt überall Fortschritte, aber es ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Einige Stadien stehen relativ ungenutzt herum, das sind weiße Elefanten. Viele Jobs, die im Rahmen der WM entstanden sind, gibt es nicht mehr. Aber so blauäugig, zu glauben, dass es dem gesamten Land besser geht, durfte ohnehin niemand sein."
"Werden wir in Südafrika die gesamte Prominenz des internationalen Fußballs sehen?"
Pfannenstiel: "Grundsätzlich kommen Vertreter aus Europa lieber nach Südafrika als beispielsweise nach Äquatorialguinea. Deshalb glaube ich, dass man diesmal mehr Leute sieht als sonst."
"Dafür fehlen bei den Spielern einige Stars, unter anderem weil der Afrika-Cup schon im zweiten Jahr in Folge stattfindet..."
Pfannenstiel: "Für die Vereine ist das natürlich sehr sehr negativ. Mancherorts wird dann den Spielern ins Gewissen geredet, ganz nach dem Motto: 'Überlegt Euch genau, ob Ihr dahin fahrt.' Verständlicherweise haben dann einige Spieler Angst, dass sie bei ihren Vereinen die Vorbereitung verpassen und eventuell erst Mitte Februar völlig ausgelaugt zurückkommen. Nehmen wir nur Mohamed Amsif. Er ist die Nummer eins bei Marokko und einer der besten Torhüter des Kontinents, aber er will beim FC Augsburg um seine Chance kämpfen. Doch gerade in den westafrikanischen Ländern ist der Nationalstolz sehr groß. Die Touré-Brüder sind für die Elfenbeinküste dabei, obwohl ihr Klub Manchester City in der teuersten Liga der Welt um den Titel spielt. Wenn der Verein ihnen drohen würde, würden sie sagen: 'Dann verkauft uns halt.'"
"Der zweite Afrika-Cup in Folge ist auch die Umstellung auf die ungeraden Jahre zurückzuführen. Aber ist selbst ein Turnier alle zwei Jahre nicht zu viel?"
Pfannenstiel: "Doch. Im Endeffekt müsste das Turnier alle vier Jahre stattfinden, und zwar genau dann, wenn auch die EM stattfindet und damit genau zwischen zwei Weltmeisterschaften. Organisatorisch wäre das kein Problem, man kann in Afrika ohne Probleme im Sommer spielen. Aber das Turnier bringt den Ländern und Verbänden viel Geld, und den Sponsoren natürlich auch. Deshalb wird es schwer, etwas zu ändern."