Alexander Zverev kämpfte in Wimbledon bis zur völligen Erschöpfung um seinen ersten Sieg bei einem Grand Slam. Sein Erfolg zeigt: Der Hamburger Teenager ist zu Höherem berufen.
Die Qualen standen Alexander Zverev ins Gesicht geschrieben. Vornübergebeugt, die Hände an die dunkelgrüne Plane hinter der Grundlinie gestützt, harrte der Teenager minutenlang aus. Jetzt bloß nicht würgen, nicht hier, nicht beim ersten Auftritt in Wimbledon. Zverev sammelte alle Kraft, die sein 18 Jahre junger Körper zu geben hatte - und kehrte auf den Platz zurück. Mit Erfolg.
Zverev vermied es nicht nur, den heiligsten aller Rasenplätze mit seiner Magensäure zu entweihen, er triumphierte nach 3:46 spannenden Stunden auch über seinen russischen Gegner Teimuras Gabaschwili. Der erste Sieg bei einem der vier Grand-Slam-Turniere war geschafft, mit 6:3, 1:6, 6:3, 3:6 und 9:7.
"Die Tennisgötter wollten mir direkt eine Aufgabe stellen", sagte Zverev später: "Die habe ich doch ganz gut erfüllt." Nie zuvor hatte er fünf Sätze gespielt, selten zuvor hatte er derart viel von sich geben müssen, um ein Match zu gewinnen. "Mental war es noch schwieriger als physisch", gab Zverev zu, "mal sehen, wie ich das verkrafte".
"Potentieller Grand-Slam-Champion"
Den Hype um seine Person und die Erwartungshaltung an sein Talent verarbeitet der Hamburger bislang bestens. Mittlerweile gilt Zverev beinahe weltweit als Aushängeschild der "Young Guns", der jungen Generation, die einst den Platz der "Fantastischen Vier" um Roger Federer und Novak Djokovic einnehmen soll. Rafael Nadal adelte ihn kürzlich als "potenziellen Grand-Slam-Champion".
Ex-Champion Michael Stich, der Zverev stets mit Rat zur Seite steht, warnte jedoch trotz der jüngsten Erfolge vor überzogenen Ansprüchen. "Er ist jung, er muss noch wahnsinnig viel lernen", sagte der Wimbledonsieger von 1991 im Gespräch mit dem SID: "Er hat in den ersten Monaten auf der Tour nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen, hat sich aber gefangen und ist konstanter geworden."
Im Eiltempo ließ Zverev die Niederungen der Weltrangliste hinter sich, bald bewirbt er sich um den Platz als deutsche Nummer eins. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch, doch muss sich der jüngste Spieler im Hauptfeld von Wimbledon nur den ältesten anschauen, um zu wissen, was auf dem Weg an die Spitze alles schief gehen kann. Auch Tommy Haas war einst für einen Majortitel bestimmt gewesen, mit 37 Jahren und nach vier Schulteroperationen freut er sich nun über kleine Erfolge wie sein gelungenes Comeback im All England Club.
Zverev hat all das noch vor sich, die Triumphe, Enttäuschungen und Verletzungen. Ins machbare Zweitrundenmatch gegen den Amerikaner Denis Kudla geht er am Mittwoch trotz einer Oberschenkelzerrung unbesorgt, beinahe mit jugendlichem Leichtsinn. "Mir gefällt es zu kämpfen", sagte Zverev nach seinem Grand-Slam-Debüt. Keine schlechte Voraussetzung, um den hohen Erwartungen in Zukunft gerecht zu werden.