Von wegen "sanfte Revolution": Der Videobeweis im Profi-Fußball könnte viel schneller kommen als bisher angenommen. Laut Geschäftsführer Lukas Brud vom International Football Association Board (IFAB) - den Regelhütern des Weltverbandes FIFA - könnte es schon in wenigen Monaten soweit sein. "Anfang 2017 wird es den ersten Video-Entscheid geben, vielleicht sogar auch in Deutschland", sagte Brud dem kicker.
Bisher war immer die Rede davon, dass für die kommende Spielzeit eine "sanfte" Einführung der Technik geplant ist. Zunächst sollte es einen Test im "Offline-Modus" geben. In der folgenden Saison sollte dann ein direkter Eingriff möglich sein, der aber immer noch ohne Auswirkungen auf die Partie durchgeführt werden sollte.
Im März hatte das IFAB einer Testphase für die Einführung des Videobeweises zugestimmt. Damals wurde ein Test bis einschließlich der Spielzeit 2017/18 beschlossen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatten angekündigt, eine Vorreiterrolle übernehmen zu wollen. Deshalb hatten sie sich darum beworben, die Technik ab der kommenden Saison in der Bundesliga zu testen. Rund 25 andere Länder wollen das auch tun.
"Keiner weiß, wo wir landen werden"
Brud begründete die raschere Einführung der sogenannten "Live-Phase" mit den daraus resultierenden Erkenntnissen. Diese Phase sei "wesentlich wichtiger, weil sie zeigt, wie der Schiedsrichter auf dem Platz mit der neuen Situation wirklich umgeht", äußerte der 36-Jährige: "Wir wissen, dass es die entscheidenden Erkenntnisse nur aus speziellen Spielsituationen gibt."
Laut Brud ist allerdings nach wie vor offen, ob aus dem Test der Ernstfall resultiert. "Das alles heißt noch nicht, dass wir den Videobeweis im Jahr 2018 sicher einführen werden. Dafür befinden wir uns in einer Testphase. Vielleicht wird diese auch noch einmal verlängert", sagte der IFAB-Geschäftsführer: "Im Moment weiß keiner, wo wir landen werden. Wir werden testen, Ergebnisse sammeln und auswerten und dann entscheiden, was zu tun ist."
Sicher ist laut Brud bisher nur, dass das "Challenge-System" (Einspruchs-Möglichkeit der Trainer) - wie es unter anderem der früherer Weltschiedsrichter Markus Merk favorisiert - nicht zum Einsatz kommen wird. Geplant ist stattdessen der Einsatz eines "Videoschiedsrichters".
Regeländerung bei Dreifachbestrafung
"Das könnte ein Aktiver sein, der am betreffenden Wochenende nicht selbst ein Spiel leitet. Oder einer, der aus Altersgründen seine Karriere beenden musste, wie jetzt in Deutschland Knut Kircher, Florian Meyer und Michael Weiner", erläuterte Brud: "Es ist denkbar und technisch möglich, dass eine Handvoll Schiedsrichter zentral alle zeitgleichen Bundesligaspiele beobachtet."
Klar ist auch, dass nicht jede strittige Situation unter die Lupe genommen wird. "Es geht nur um spielentscheidende Szenen", sagte Brud: "Tore, Situationen im Strafraum, die zu einem Strafstoß führen können, Rote Karten, Tätlichkeiten, die der Schiedsrichter nicht gesehen hat, und Karten, die dem falschen Spieler gezeigt wurden."
Brud bestätige zudem, dass ab Mittwoch (1. Juni) die umfassendste Modifikation des Regelwerks seit fast 20 Jahren in Kraft tritt. Dabei geht es um 95 Paragrafen, die allerdings in erster Linie nur leicht angepasst und verständlicher formuliert wurden.
Die gravierendste Änderung gibt es bei der sogenannten Dreifachbestrafung (Rote Karte, Elfmeter und eine Sperre bei der Verhinderung einer klaren Torchance im Strafraum). "Wenn einer keine Chance hat, den Ball zu spielen, oder wenn er die Hände zu Hilfe nimmt, was im Fußball generell verboten ist, dann wird es weiterhin Rot geben", erläuterte Brud: "Wenn einer versucht, seinen Gegenspieler mit erlaubten Mitteln zu stoppen, er aber um einen Sekundenbruchteil zu spät kommt, wenn er also fair spielen wollte, es aber nicht geschafft hat, dann soll es Gelb geben.