Es ist viel für die Sicherheit in der Formel 1 getan worden, doch der Faktor Mensch bleibt ein nicht zu kalkulierendes Risiko. Das bewies Romain Grosjean beim Großen Preis von Belgien, als er einen Unfall heraufbeschwor, der nur mit viel Glück glimpflich ausging.
Der Schock nach dem Startunfall in Spa saß bei Verantwortlichen und Zuschauern tief und die Erleichterung war riesengroß, dass Ferrari-Pilot Fernando Alonso den Crash ohne große Blessuren überstanden hatte. Er klagte lediglich über Rückenschmerzen. "Uns und, ich denke, allen Ferrari-Fans ist das Herz stehen geblieben bei dem Unfall", meinte Scuderia-Teamchef Stefano Domenicali.
Grosjean verfehlt Alonso nur knapp
In einer ersten Reaktion wurde Wiederholungstäter Romain Grosjean für den kommenden Großen Preis von Italien gesperrt, zudem muss er eine Geldstrafe von 50.000 Euro zahlen. Der Franzose hatte nach dem Start in Spa Lewis Hamilton abgedrängt.
Der Lotus von Grosjean und der McLaren verhakten sich. Grosjean krachte in den Sauber von Sergio Perez und hob ab. Der Lotus krachte auf den Ferrari von WM-Spitzenreiter Alonso. Er verfehlte Alonsos Kopf um rund einen halben Meter. Der Spanier hatte keine Chance auszuweichen. "Ich habe mich gefühlt, als wäre ein Zug in mich reingefahren", sagte Alonso.
Wütend sei er nicht auf Grosjean, meinte Alonso. Dennoch muss sich der Franzose seine Gedanken machen, denn bereits zum siebten Mal war er bei insgesamt 19 Formel 1-Stars an einem Zwischenfall beteiligt. "Einige waren nicht mein Fehler, andere hingegen schon. Manche haben mit mangelnder Erfahrung zu tun, mache sind einfach Fehler. Jetzt ist es an der Zeit, damit aufzuhören", erklärte er laut motorsport-total.com.
Der 26 Jahre alte ehemalige GP2-Champion, der 2009 sieben Formel-1-Rennen bestritten hat und in dieser Jahr erstmals eine volle Saison fahren soll, entschuldigte sich bei seinen Kollegen. "Ich möchte mich bei allen Fahrer entschuldigen, die in den Unfall verwickelt waren", sagte Grosjean, der sich in den Medien Kritik gefallen lassen musste. Die italienische Zeitung Tuttosport titelte: "Grosjean - jetzt reicht es!". Und El Mundo aus Spanien befand: "Man hatte geglaubt, die Fahrer seien rundum geschützt und Unfalldramen gehörten der Vergangenheit an. Aber das ist nicht so."
Ist ein geschlossenes Cockpit die Lösung?
Dieser Unfall entfachte abermals eine Diskussion darüber, wie sicher die Formel 1 trotz aller Maßnahmen in der Vergangenheit ist. Das offene Cockpit ist dabei ein Aspekt. Uneinigkeit herrscht aber insgesamt, ob eine Art Jet-Kanzel die Lösung sein kann. Geprüft wird eine solche Variante seit langem.
Auslöser waren zwei schreckliche Unfälle vor drei Jahren. In Ungarn wurde Felipe Massa von einer Metallfeder trotz Helms schwer am Kopf verletzt. Formel-2-Pilot Henry Surtees verunglückte 2009 in Brands Hatch tödlich. Er war von einem Reifen, der sich am Wagen eines Konkurrenten gelöst hatte, ebenfalls am Kopf getroffen worden.
Der letzte tödliche Unfall in der Formel 1 liegt hingegen 18 Jahre zurück: Am 1. Mai 1994 war der dreimalige Weltmeister Ayrton Senna am schwarzen Wochenende der Formel 1 in Imola tödlich verunglückt. Am Tag zuvor war der Österreichers Roland Ratzenberger ebenfalls nach einem Unfall gestorben.
Offenes Cockpit ist Formel 1-Markenzeichen
Damit das nie wieder passiert, wurden die Sicherheitsmaßnahmen enorm verbessert. Auch deshalb überstanden die Rennfahrer selbst spektakulärste Unfälle schadlos, wie etwa der Pole Robert Kubica 2007 in Montréal. Nur der bis auf den Helm schutzlose Kopf bleibt ein Risiko. Allerdings ist eben dieses offene Cockpit das Markenzeichen aller Formel-Klassen. "Wir arbeiten mit dem Verband an dem richtigen Schutzsystem", sagte Domenicali.
"Mit dem, was wir getestet haben oder woran wir arbeiten, können aber auch Probleme auftreten." Eine Sorge in Sachen Jet-Kanzel ist, dass die Piloten bei einer Gefahrensituation wie zum Beispiel Feuer im Cockpit nicht schnell genug aus dem Wagen klettern können. "Du kannst eine Haube drüber machen, aber Du weißt nicht, ob sie danach sicherer sind", meinte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.
Ausbildung der Fahrer verbessern
Diese Diskussion zeigt nur zu deutlich, dass es beim Thema Sicherheit in der Formel 1 grenzen gibt. Ein Restrisiko wird immer bleiben, egal welche Maßnahmen noch ergriffen werden. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der Einwand von Stefano Domenicali an Bedeutung.
"Was klar ist, dass es besser wäre, wenn in den Junior-Serien die Regeln zum Verhalten auf der Strecke unbeugsam durchgesetzt würden. Dann wären die Fahrer so gut wie möglich auf die höchste Klasse des Motorsports vorbereitet", sagte der Ferrari-Teamchef. Solche Maßnahmen würden den "Faktor Mensch" zwar nicht ausblenden, aber zumindest weiter minimieren.