Vor der Tür des Marriott Hotels in Downtown Louisville steht ein kleiner weißhaariger Mann, der die 80 vermutlich längst hinter sich hat. Er reicht alte Fotos herum, die fast alle dasselbe Motiv zeigen: Ihn selbst zusammen mit Muhammad Ali.
Der kleine Mann ist Izak Sabatini, 30 Jahre lang der persönliche Haus- und Hofschneider des Größten. "Wenn ihr ihn in gut sitzenden Anzügen seht, die sind alle von mir", erzählt Sabatini. Er ist den ganzen langen Weg von London gekommen, um sich von seinem Freund Muhammad zu verabschieden.
Wie all die anderen Menschen, die am frühen Freitagmorgen bei bereits hochsommerlichen Temperaturen zu Zehntausenden die Straßen der Innenstadt säumen. Langsam rollt der Trauerzug mit 17 Fahrzeugen und einem weiteren Dutzend Polizeiautos hinter dem Leichenwagen mit Alis champagnerfarbenem Sarg durch seine Stadt. "Our Champion is coming home" steht auf einem der unzähligen Plakate. Hier in Louisville, wo er im Juli 1942 das Licht der Welt erblickte, wird Alis letzte Runde eingeläutet.
Der Weg führt auch an einem Kindergarten vorbei, der "Mini-Versity of Louisville". Immer wieder skandieren die Kleinen unter Anleitung einer Betreuerin den berühmten Schlachtruf "Ali boma ye" (Ali, töte ihn), mit dem die Menschen ihn beim legendären "Rumble in the Jungle" gegen George Foreman 1974 in Kinshasa anfeuerten.
Boxprominenz ist anwesend
30 Kilometer rollt der Trauerzug durch Downtown, vorbei an Alis Geburtshaus, vorbei am Ali-Center bis zum Cave Hill Cemetery. Schon am frühen Morgen hat sich die Familie in der riesigen Hotel-Lobby versammelt, ein kleiner Smalltalk noch mit Hollywood-Star Will Smith, dann verteilen sich alle in die bereitstehenden schwarzen Limousinen. In denen verschwinden auch die Ex-Weltmeister Mike Tyson, Evander Holyfield, Larry Holmes und Lennox Lewis, die alle zu den Sargträgern gehören.
Viele Menschen wissen an diesem Tag Geschichten über den berühmtesten Sohn ihrer Stadt zu erzählen, viele haben ihn persönlich gekannt, das Viertel, in dem Ali aufwuchs, ist überschaubar. Taxifahrer Peterson McConley ist mit ihm zusammen zur Highschool gegangen. Damals hat sich der junge Cassius Clay in den Pausen gerne mitten auf den Schulhof gestellt und immer wieder gebrüllt, dass er eines Tages der beste Boxer der Welt sein wird. "Alle haben ihn ausgelacht", erzählt McConley: "Dann ist er immer richtig ausgeflippt. Mit ihm prügeln wollte sich aber keiner."
Auch Thania Swan ist Alis Jahrgang, er sei ein total Verrückter gewesen, erzählt sie: "Er hat jeden Tag ein Wettrennen mit dem Schulbus gemacht. Acht Kilometer von der Schule zu seinem Haus. Er hat es jeden Tag gewonnen." Die Mädchen seien ganz heiß auf den jungen Beau gewesen. "Er war groß, stark, sah gut aus, er hatte viele an der Hand", sagt Thania.
Secret Service-Präsenz wegen Erdogan
Heute sind sie alle da, die Prozession durch die Stadt bringt Muhammad Ali und seine Jünger ein letztes Mal zusammen. So schön sei diese Prozession, erzählt McConley der auch beim Janazah, dem muslimischen Totenritual am Donnerstag in der Freedom Hall, dabei war. Da habe man fast überhaupt keine Emotionen gespürt, sagt er, die Menschen hätten lediglich in dichten Reihen um den Sarg herum gestanden. Der türkische Präsident Erdogan war auch dabei, deshalb habe die Präsenz von Secret Service und FBI alle Spontaneität im Keim erstickt.
Am Freitag liegen die Emotionen wie ein dicker weicher Teppich über den Stadt. Alis Tochter Laila, selbst einst Boxweltmeisterin, filmt das Szenario aus dem langsam fahrenden Auto heraus. "You are amazing", ruft sie der Menge zu, "ihr seid unglaublich".
Sie filmt auch ein Plakat, auf dem geschrieben steht: "Wo sind Sie, Mr. President?" Barack Obama ist in Washington, bei der Schulabschlussfeier seiner ältesten Tochter Malia. "Das ist ganz richtig so", sagt Thania Swan: "Ali hätte sich auch immer für seine Kinder entschieden." Dann ist Mr. President ja ganz hochoffiziell entschuldigt.