Das Lächeln im Gesicht von Vincenzo Nibali wird von Tag zu Tag gelöster. Auch die Königsetappe der 101. Tour de France hat dem italienischen Dominator nichts anhaben können. Während sich der Pole Rafal Majka in imponierender Weise seinen zweiten Etappensieg holte und die Bergwertung beherrscht, behielt der Sizilianer bei der 124,5 km langen Kletterpartie durch die Pyrenäen stets die Übersicht und vergrößerte seinen Vorsprung noch.
Mit Ausnahme eines Tages trägt Nibali seit dem 7. Juli das Gelbe Trikot auf seinen Schultern und selten stand es ihm so gut wie nach der kurzen, aber sehr intensiven Etappe von Saint-Gaudens zum Skiresort Pla d'Adet. "Es war wichtig, intelligent zu fahren und ruhig zu bleiben", sagte Nibali, der auch während einer Offensive der starken französischen Fraktion das nötige Stehvermögen bewies. Als Tagesdritter rollte der 29-Jährige ins Ziel, nur Routinier Jean-Christophe Péraud (AG2R) hielt sein Hinterrad bis zum Schluss.
Tour-Debütant Majka, der mit seinem zweiten Etappensieg die jüngste Erfolgsserie des Teams Tinkoff-Saxo fortsetzte, feierte seinen erneuten Triumph gebührend. Strahlend klopfte er sich mit der Faust auf die Brust und nahm nach der Zieldurchfahrt die Glückwünsche seines Teamchefs Bjarne Riis entgegen. "Riis hat gesagt, 'hol' dir die Etappe und du wirst das Bergtrikot bekommen'. So habe ich es gemacht, unser Plan ist aufgegangen", sagte Majka. Die Mannschaft des verletzt ausgestiegenen Mitfavoriten Alberto Contador hat nun drei der vergangenen vier Etappen gewonnen.
Nibali mit besten Aussichten auf Tour-Sieg
Nibali kontrollierte lange Zeit scheinbar mühelos das Geschehen im Hauptfeld und verbrachte fast die gesamte Renndistanz an der Seite seiner Herausforderer. Erst als die französischen Podestkandidaten Romain Bardet (AG2R), Thibaut Pinot (FDJ) und der 37-jährige Péraud attackierten, machte auch Nibali ernst. Erst parierte er ohne Probleme die Offensive seiner Rivalen, dann setzte der "Hai von Messina" prompt zum Gegenangriff an. "Vier Anstiege auf 124 Kilometern, das war sehr gefährlich. Das Rennen hätte explodieren können", sagte Nibali, der nun 5:26 Minuten vor dem Spanier Alejandro Valverde liegt. Das beachtliche Trio aus der Grande Nation folgt dahinter.Nibali kann wohl nur noch ein nicht zu erwartender Einbruch auf der letzten Bergetappe am Donnerstag vom Gesamtsieg abhalten. Italien hat sich jedenfalls schon auf den ersten heimischen Tour-Sieger seit Marco Pantani 1998 eingestellt: Am Dienstag wurde Nibali vom italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi zu dessen Amtssitz Palazzo Chigi in Rom eingeladen - selbstverständlich soll er im Maillot jaune kommen.
Voigt (kurz) im Blickpunkt
Der Tscheche Leopold König aus dem deutschen Team NetApp-Endura hält indes weiter Kurs auf die Top-Ten. König verlor am Mittwoch zwar mehr als drei Minuten auf Nibali, ist als Gesamtneunter aber weiterhin gut platziert. Unmittelbar nach dem Start hatte sich zudem Oldie Jens Voigt in Szene gesetzt, doch an der ersten Bergwertung am Col du Portillon wurde er bereits gestellt.Am Donnerstag wird es noch einmal richtig schmerzhaft. Die letzte Etappe in den Pyrenäen führt über 145,5 km von Pau nach Hautacam. Neben zwei kleineren Anstiegen zu Beginn muss das Peloton auch zwei Bergwertungen der Ehrenkategorie bewältigen. Dabei geht es über den legendären Col du Tourmalet. So wie Nibali am Mittwoch lächelte, dürfte er aber auch diesen mit gewohnter Eleganz überwinden.