Die Modellathleten tanzten vor Freude wie kleine Kinder durch die Jahrhunderthalle, Bundestrainer Dagur Sigurdsson beobachtete das ausgelassene Treiben seiner Rasselbande strahlend von der Seitenlinie: Als die deutschen Handballer nach einem weiteren Krimi durch einen 25:23 (12:13)-Erfolg gegen Top-Favorit Dänemark bei der EM in Polen sensationell ins Halbfinale gestürmt waren, brachen alle Dämme. Selbst die verletzten Leistungsträger Steffen Weinhold und Christian Dissinger humpelten zur großen Siegesparty aufs Feld.
Das jüngste aller EM-Teams spielt damit am Freitag (18.30 Uhr) gegen das Überraschungsteam aus Norwegen in Krakau um den ersten Finaleinzug bei einem Großereignis seit dem WM-Gold beim Wintermärchen 2007. Jetzt träumen alle vom ganz großen Wurf. "Jetzt ist alles möglich. Wir werden ohne Druck aufspielen, werden uns vor keinem Gegner verstecken", sagte Tobias Reichmann in der ARD. Den bisher einzigen deutschen EM-Titel hatte es 2004 unter Coach Heiner Brand gegeben.
Sein Nachfolger Sigurdsson war nach einer leidenschaftlichen Vorstellung mächtig stolz auf seine Mannschaft. "Wir haben einfach unser Ding durchgezogen. Das war eine grandiose Leistung, fantastisch. Wir haben uns nicht verrückt machen lassen", sagte der Vater des Erfolgs.
'Es war ein Kampf'
Bester Werfer beim fünften Sieg der mit insgesamt 16 EM-Debütanten angetretenen Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) in Folge war Steffen Fäth mit sechs Toren. Torhüter Andreas Wolff hielt zudem in der packenden Schlussphase wichtige Bälle. "Es war ein Kampf, bei dem ich nicht über das Ergebnis nachgedacht habe, sondern nur über den Ball. Ich bin überglücklich. Als die Dänen nervös wurden, haben wir zugeschlagen", sagte Wolff.
Durch den Sieg wird die Handball-Euphorie in Deutschland weiter zunehmen. Von Dirk Nowitzki über Joachim Löw bis Jürgen Klopp - zahlreiche Sportgrößen hatten dem WM-Siebten schon vor der entscheidenden Begegnung in Breslau per Videobotschaft viel Glück gewünscht. Die DHB-Auswahl konnte den zusätzlichen Motivationsschub gut gebrauchen. Nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Kapitän Weinhold und Dissinger musste Sigurdsson auf gleich sechs Stammspieler verzichten.
Nach anfänglichen Problemen und einem 2:4-Rückstand (7. Minute) kam die DHB-Auswahl aber vor 6500 Zuschauern von Minute zu Minute besser ins Spiel. Die Deckung um Abwehrchef Finn Lemke stellte sich dem dänischen Angriff mit Superstar Mikkel Hansen entschlossen entgegen und variierte immer wieder zwischen einer 6:0- und einer offensiven 4:2-Variante.
DHB beißt sich ins Match
Der deutsche Angriff legte die anfängliche Nervosität schnell ab und kam durch Kreisläufer Erik Schmidt zum Ausgleich (5:5/12.). Die hinter der Ersatzbank sitzenden Weinhold und Dissinger sprangen in ihren Deutschland-Trikots auf und jubelten lautstark. Nach der ersten Führung beim 6:5 (13.) nach einem Tempogegenstoß von Youngster Rune Dahmke machten sich auch die zahlreichen deutschen Fans bemerkbar. "Jetzt geht's los", hallte es durch die ausverkaufte Jahrhunderthalle.
Durch Hansen und den Magdeburger Michael Damgaard hielten die mit neun Bundesliga-Legionären angetretenen Dänen dagegen, doch dem Sigurdsson-Team war das große Selbstvertrauen und der absolute Siegeswille anzumerken. Als Kai Häfner, der ebenso wie Julius Kühn kurzfristig nachnominiert worden war, zum 10:8 (22.) traf, hielt es auch DHB-Präsident Andreas Michelmann nicht mehr auf seinem Sitz.
Mit vier Toren in Folge schlugen die Dänen zurück, aber der überragende Fäth hielt die deutsche Auswahl im Spiel. Mit seinem fünften Treffer beim fünften Wurfversuch stellte der Wetzlarer den 12:13-Halbzeitstand her. "Die Jungs machen es bisher sehr gut. Jetzt müssen wir noch etwas aggressiver werden, dann klappt es auch", sagte Torhüter Carsten Lichtlein.
Spannung bis zum Schluss
Mit zwei schnellen Toren zur Führung untermauerte Reichmann die Worte Lichtleins. Die Partie blieb ausgeglichen, die Spannung steigerte sich minütlich. Es entwickelte sich eine echte Abwehrschlacht, beide Teams mussten für ihre Tore hart kämpfen.
In einer dramatischen Schlussphase lag die DHB-Auswahl zunächst mit 21:23 zurück (53.). Doch das deutsche Team gab nicht auf und kam durch Martin Strobel wieder zum Ausgleich (23:23/57.). Reichmann sorgte per Siebenmeter für die Führung, Anders Eggert von der SG Flensburg-Handewitt scheiterte im Gegenzug am Innenpfosten des deutschen Tores. Fabian Wiede sorgte mit dem 25:23 eine Minute vor dem Ende für die Entscheidung. Der Rest war nur noch Jubel.
Deutschland - Dänemark 25:23 (12:13)
Deutschland: Wolff (Wetzlar), Lichtlein (Gummersbach) - Fäth (Wetzlar/6), Wiede (Berlin/5), Reichmann (Kielce/4/3), Häfner (Hannover/3), Dahmke (Kiel/2), Schmidt (Hannover/1), Kohlbacher (Wetzlar/1), Pieczkowski (Lübbecke/1), Kühn (Gummersbach/1), Strobel (Balingen/1), Sellin (Melsungen), Pekeler (Rhein-Neckar Löwen), Lemke (Magdeburg), Ernst (Gummersbach)
Dänemark: Landin, Møller - Hansen (7), Eggert (6/3), Damgaard (3), Svan (3), Mensah Larsen (2), Christiansen (1), Lindberg (1).
Schiedsrichter: Horacek/Novotny (Tschechien)
Zeitstrafen: 4:4
Siebenmeter: 3/3:3/3
Zuschauer in Breslau: 6500
Sportgrößen feiern DHB-Team
Der Halbfinaleinzug hat bei zahlreichen deutschen Sportgrößen eine riesige Begeisterung ausgelöst. "Aus. Das Spiel ist aus! Waaahnsinn! Glückwunsch", hieß es im Twitter-Account der DFB-Nationalmannschaft.
Fec-Cup-Chefin Barbara Rittner verfolgte den 25:23-Sieg gegen Dänemark im letzten Hauptrundenspiel in Breslau bei den Australian Open in Melbourne in den frühen Morgenstunden. "Bravo Männer. Geiler fight, just like @AngeliqueKerber", twitterte Rittner.
Nicht nur bei Hans Sarpei weckte der Triumph gegen die favorisierten Dänen Erinnerungen an den WM-Titel vor neun Jahren im eigenen Land. "Wintermärchen reloaded. Ein Hammer-Sieg. Glückwunsch", twitterte Sarpei.
Zahlreiche Sportgrößen von Dirk Nowitzki über Joachim Löw bis Jürgen Klopp hatten dem WM-Siebten schon vor der entscheidenden Begegnung per Videobotschaft viel Glück gewünscht.