Am Abend der Entscheidung über Schottlands Unabhängigkeit wird auch Tennis-Star Andy Murray gebannt vor dem Fernseher sitzen. "Das ist sehr wichtig für meine Familie, ich werde aufbleiben und es mir anschauen", sagte der schottische Olympiasieger und machte über seine eigenen Pläne kein Geheimnis: "Wenn Schottland unabhängig würde, dann denke ich, dass ich für Schottland spielen würde. Aber so viele Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht, weil ich nicht denke, dass es passieren wird."
Das einst Undenkbare ist mittlerweile allerdings gar nicht mehr so unwahrscheinlich. Am kommenden Donnerstag bestimmen die Schotten selbst über ihre Loslösung vom Vereinigten Königreich. Die Meinungsumfragen prophezeien ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegner.
Und auch für den britischen Sport hätte eine Loslösung weitreichenden Folgen. Die Pläne sehen vor, dass die schottische Athleten wählen dürfen, ob sie im Falle der Unabhängigkeit für Schottland oder Großbritannien starten dürften.
Hoy vermeidet Empfehlung
Bei den Olympischen Spielen in London gewannen schottische Sportler insgesamt 7 der 29 Goldmedaillen für das "Team GB", gerade einmal vier weniger als Deutschland. Und das, obwohl nur zehn Prozent der britischen Sportler aus Schottland kamen. Zudem gehörten Murray und der zum Ritter geschlagene Doppel-Olympiasieger Sir Chris Hoy (Bahnrad) zu den größten Stars der Gastgeber.Diese Erfolge einfach in die Zukunft zu übertragen, ist allerdings sehr schwer. Viele der erfolgreichen schottischen Athleten trainieren in britischen Sportstätten. Der mittlerweile zurückgetretene Hoy bereitete sich beispielsweise in Manchester auf die Spiele 2012 vor.
Im Vorfeld des Referendums vermied Hoy eine klare Wahlempfehlung. Womöglich auch wegen der Erfahrungen der Vergangenheit: Nach einem Interview im vergangenen Jahr, in dem er über die möglichen Nachteile für schottische Sportler gesprochen hatte, wurde er von Befürwortern der Unabhängigkeit zum Teil massiv beleidigt. Er nahm als geladener Gast auch an einer Veranstaltung mit dem britischen Premier David Cameron teil, der im Londoner Velodrom leidenschaftlich den Zusammenhalt beschwor.
Wegfall der Zuschüsse aus London
Größtes Problem für den potenziellen neuen Verband wäre der Wegfall der Zuschüsse aus London, Ausfälle in Millionenhöhe müssten kompensiert werden. Derzeit bekommen schottische Sportler jährlich umgerechnet etwas mehr als 15 Millionen Euro Unterstützung durch den Leistungssport-Dachverband "UK Sports". Unsicher sind auch die Einkünfte aus der nationalen Sportlotterie. "Der schottische Sport würde leiden", sagte die in Glasgow geborene Badminton-Olympiateilnehmerin Imogen Bankier.Im Fall der Unabhängigkeit käme auf die schottischen Sportfunktionäre noch eine Menge Arbeit zu. Vor allem mit Blick auf die Olympischen Spiele in weniger als zwei Jahren. Ein unabhängiger olympischer und paralympischer Dachverband müsste gegründet werden. Ein Beitritt zum Internationalen Olympischen Komittee (IOC) ist zudem erst möglich, wenn die Vereinten Nationen Schottland als unabhängigen Staat anerkannt haben. IOC-Präsident Thomas Bach hat den schottischen Athleten aber bereits zugesichert, ihre Interessen zu schützen. Notfalls könnten die Sportler unter olympischer Flagge starten.
Damit es so weit erst gar nicht kommt, setzen die Gegner der Unabhängigkeit auf einen weiteren bekannten Schotten. "800.000 Schotten leben und arbeiten wie ich in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs", sagte Alex Ferguson, schottisches Idol von Englands Fußball-Rekordmeister Manchester United, der sogar Teil der Kampagne "Better together" (Besser Zusammen) ist: "Wir leben nicht in verschiedenen Ländern, wir sind nur in einem andere Teil der Familie des Vereinigten Königreichs."