Ronnie O'Sullivan sah nur noch diesen einen Ausweg. In höchster Not flüchtete der Snooker-König in die Katakomben des Crucible Theatres, mal wieder auf der Suche nach Dr. Steve Peters. Diesmal aber hatte selbst der angesehene Sportpsychologe keine Lösung parat: O'Sullivan verlor das WM-Finale mit 14:18 gegen Mark Selby, der mit seinem größten Triumph ein altes Versprechen an seinen toten Vater einlöste.
"Ich bin mir verdammt sicher, dass er da oben sitzen und sich über meinen Erfolg freuen wird", sagte Selby nach seinem ersten WM-Coup. Mit Tränen in den Augen verrieten die gestammelten Worte und der andächtige Blick gen Himmel: Dieser Titel ist für dich, Dad.
David Selby, einst größter Fan und Förderer des jungen Mark, hatte 1999 den Kampf gegen den Krebs verloren. "Ich will, dass du eines Tages Weltmeister wirst", soll er auf dem Sterbebett zu seinem damals 16-jährigen Sohn gesagt haben. Der Junior versprach es. Zwei Monate später wurde Mark Selby Profi, mehr als ein Jahrzehnt danach setzte er sich nun in beeindruckender Manier die WM-Krone auf und erfüllte damit das Vermächtnis des Vaters.
Es war ein großartiges Comeback nach einer Zeit herber Enttäuschungen. Das Endspiel der UK Championship hatte Selby gegen den Australier Neil Robertson verloren, im Masters-Finale gegen O'Sullivan den Kürzeren gezogen. Auch in Sheffield sah zunächst alles nach einer neuerlichen O'Sullivan-Show aus, ehe Selby am zweiten Finaltag konzentrierter agierte und endlich wieder traumwandlerisch sicher einlochte.
"Es könnte einfach nicht besser sein"
"Es ist unglaublich, fantastisch. Es könnte einfach nicht besser sein", schwärmte der neue Weltranglistenerste und begründete seine Einschätzung auch mit der Leistung seines Finalgegners: "Wenn du schon mal gewinnst, dann willst du auch einen Star wie Ronnie im Turnier haben. Es gibt keinen besseren Weg, als ihn dann noch im Finale zu bezwingen."O'Sullivan gab das Lob an seinen Kontrahenten noch während der Siegerehrung zurück. Selby habe "ein großartiges Turnier" gespielt und ihn selbst vor "extreme Probleme gestellt". Die er dann bekanntlich nicht lösen konnte.
Dass es auch in diesem Jahr vor allem den fünfmaligen Champion O'Sullivan zu schlagen galt, hatte dieser auf seinem Weg ins Finale untermauert. Barry Hawkins beispielsweise, seinen Finalgegner des vergangenen Jahres, fertigte O'Sullivan in der Vorschlussrunde mit 17:7 ab. "Ich befand mich in guter Verfassung und habe die letzten 17 Tage wirklich genossen", sagte O'Sullivan.
Nicht zuletzt deshalb gewann er trotz der bitteren Finalniederlage dem Turnier durchweg Positives ab: "Ich bin stolz auf mich, dass ich immer weitergekämpft habe. Vor ein paar Jahren hätte ich bei Rückstanden das Handtuch geworfen - diesmal nicht." Und daran hatte dann übrigens auch Dr. Steve Peters seinen Anteil.