Die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 sorgt für weitläufige Kritik. Besonders mit Hinblick auf die Menschenrechte in China gerät der IOC unter öffentlichen Druck. So spricht die Menschenrechtsorganisation Tibet Initiative Deutschland von einer "falschen Botschaft, die an die falschen Leute zur falschen Zeit gesendet wird." Der Präsident der Olympischen Komittees Thomas Bach sieht dagegen ein "historischen Resultat".
Thomas Bach (Präsident des IOC): "Es ist ein historisches Resultat. Peking ist die erste Stadt, die Sommer- und Winterspiele austragen wird. In den zwei Jahren der Bewerbungsphase hat Peking einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen. Aber auch Almaty möchte ich gratulieren, es war eine hervorragende Bewerbung. Ich habe eine so enge Entscheidung erwartet, weil beide Konzepte sehr unterschiedlich waren."
Alfons Hörmann (Präsident des DOSB): "Erstmals seit 1999, als es um die Winterspiele 2006 ging, standen bei der heutigen Entscheidung den IOC-Mitgliedern nur zwei Bewerber zur Auswahl. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen auch in der aktuell kritischen Sicht auf Großveranstaltungen und internationale Sportorganisationen in manchen Teilen der Welt. Umso wichtiger ist es, dass das IOC dies mit der Agenda 2020 aufgegriffen hat. Nun wird Peking als erste Stadt in der Geschichte Olympias Gastgeber für Sommer- und Winterspiele sein. Obwohl dieses Bewerbungsverfahren vor der IOC-Agenda 2020 gestartet worden ist, konnten wichtige Punkte noch nachverhandelt werden. Das IOC hat bereits in seinem Evaluierungsbericht kritische Themen wie Menschenrechte, Pressefreiheit und Arbeitsrechte pro-aktiv angesprochen und sich schriftliche Zusagen von der Regierung zur Einhaltung der Olympischen Charta geben lassen. Wir begrüßen, dass der Host-City-Vertrag somit bereits erweitert wurde. Die konsequente Umsetzung wird wichtige Impulse setzen."
Wang Anshun (Bürgermeister von Peking): "Heute ist ein denkwürdiger Tag für Peking und die olympische Bewerbung. Wir sind im Moment überwältigt. Wir werden 300 Millionen Chinesen dazu inspirieren, Teil des Wintersports zu werden."
Michael Neumann (Innen- und Sportsenator von Hamburg): "Es ist wichtig, nicht nur zu kritisieren, sondern sich auch einzubringen und dem IOC Alternativen aufzuzeigen. Dies tun wir mit der Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024."
Friedhelm Julius Beucher (Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes): "Hinsichtlich der Nachteile beider Bewerberstädte wäre Deutschland mit München wohl eindeutiger Sieger gewesen, wenn die Bevölkerung uns im Rennen gelassen hätte. In den beiden zuletzt verbliebenen Ländern sind teils dramatische Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Entscheidung, die Olympischen und Paralympischen Spiele nach Peking zu vergeben, die positiven Wirkungen des Sports schrittweise dabei helfen, die Menschenrechte zu respektieren. Und zwar so, wie es sich für ein friedvolles Miteinander auf der Welt gehört. In Peking ist durch die Sommer-Paralympics 2008 eine gute Entwicklung für Sportler mit Behinderung eingetreten. Wir hoffen, dass sich dies durch die erneute Ausrichtung von Paralympischen Spielen auf alle Menschen mit Behinderung ausweitet. Das wäre ein hoffnungsvolles Zeichen. Etwas verwundert bin ich hinsichtlich der Wahl für Peking aufgrund der Tatsache, dass die räumliche Nähe der Wettkampfstätten bei weit über 100 Kilometern Entfernung nicht gegeben ist."
Karl Quade (Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Behindertensportverbandes): "Die Paralympics 2008 in Peking waren ein positives Erlebnis, und wir haben als Mannschaft eine schöne sowie erfolgreiche Zeit in China verbracht. Die Menschen waren sehr freundlich, die Wettkampfstätten imposant - auch wenn wir im Rahmen der Spiele natürlich immer nur ein begrenztes Umfeld eines Landes kennenlernen. Ich bin mir sicher, dass Peking die Paralympics 2022 gut ausrichten wird."
Erik Lesser (zweimaliger Biathlon-Weltmeister): "Schön zu sehen, dass die Olympischen Winterspiele wieder an einen traditionsreichen Ort vergeben wurden. Da kann man sich jetzt schon auf die Massen an Fans freuen."
Özcan Mutlu (sportpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag): "Die Glaubwürdigkeitskrise der großen internationalen Sportverbände hält weiterhin an. Mit der Entscheidung für Peking werden die Olympischen Spiele erneut in einem Land ausgetragen, in dem Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit so wenig gelten wie die Belange der Bevölkerung oder Fragen des Natur- und Umweltschutzes. Mit dieser Entscheidung setzt sich die Tendenz der vergangenen Jahre fort, Sportgroßveranstaltungen vor allem in nicht-demokratischen Ländern zu planen und zu veranstalten. Daran wird auch die Agenda 2020 des IOC wenig ändern. Der Rückzug von Boston aus der Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2024 zeigt, dass die Probleme tiefer liegen."
Wolfgang Büttner (Human Rights Watch Deutschland): "Die Vergabe an Peking birgt ganz klar die Gefahr, dass es bei der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Das IOC muss sicherstellen, dass es nicht zu Einschränkungen der Pressefreiheit, zur Verletzung der Arbeiterrechte und zu keiner Diskriminierung von Kritikern kommt. Es ist ein Test für die Agenda 2020, in der auch Menschenrechtsstandards festgehalten sind. Das IOC kann beweisen, dass es diese Reformen ernst meint. In den Verträgen mit dem Gastgeberland müssen Kriterien für Menschenrechte festgeschrieben werden, und auch ein Überprüfungsmechanismus zur Einhaltung muss festgehalten werden. Wenn es zu einer schweren Menschenrechtsverletzung kommt, dann muss die letzte Sanktion auch darin bestehen, dass man die Spiele 2022 China wieder entzieht."
Florian Kasiske (NOlympia Hamburg): "Die Entscheidung für Peking ist ein Albtraum für die Menschenrechte. Es zeigt, mit was für einer Organisation man sich beim IOC einlässt. Eine Organisation, die sich immer wieder mit autoritären Regimen einlässt und für die Menschenrechte nur auf dem Papier gelten. Wenn es das IOC mit der Agenda und der darin beschlossenen Empfehlung zur Wahrung der Menschenrechte ernst meint, hätte es den Auswahlprozess aussetzen müssen. Mit der Bewerbung verschafft Hamburg dem IOC eine Legitimation, dass es sich immer wieder mit autoritären Regimen einlässt, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden."
Tibet Initiative Deutschland: "Das IOC hat die falsche Botschaft an die falschen Leute zur falschen Zeit gesendet. Die chinesische Regierung hat es einmal mehr geschafft, dass die Welt ihre verheerenden Menschenrechtsverletzungen einfach so hinnimmt und sich stattdessen vom chinesischen Pragmatismus beeindrucken lässt. Die Botschaft, die jetzt laut und klar in Peking ankommt, ist, dass Menschenrechte und Tibet keine Bedeutung haben. Die Ehre, die Olympischen Spiele zum zweiten Mal austragen zu dürfen, ist ein Propaganda-Geschenk an die chinesische Regierung zu einer Zeit, wo diese eigentlich für ihre unsägliche Menschenrechtspolitik abgestraft werden müsste. In Tibet brennen Tibeter, und in Peking brennt das Olympische Feuer."
Dagmar Freitag (Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestag): "Es war nur noch die Frage zu beantworten, was wohl das kleinere Übel war. Dies ist letztlich auch Folge der bisherigen Vergabepraxis des IOC und - sieht man von London ab - des wachsenden Gigantismus der Spiele, was zur Absage der Bewerbungen demokratisch geführter westeuropäischer Staaten mit Städte, wie München, Graubünden, Oslo oder Stockholm geführt hat. Die Entscheidung für Peking unterscheidet sich hinsichtlich der Frage nach Meinungsfreiheit und Menschenrechten im Ausrichterland nicht wesentlich von einer Entscheidung, die Almaty geheißen hätte."
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums: "Deutschland ist mit dem Standort München leider bereits frühzeitig aus dem Bewerbungsverfahren um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 ausgeschieden. Nun hat sich Peking mit seiner Bewerbung durchgesetzt. Peking ist im Hinblick auf die heutige Entscheidung des IOC zu gratulieren. Die Bundesregierung ist sich sicher, dass Peking aufbauend auf seinen Erfahrungen bei der Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2008 ein hervorragender Gastgeber sein wird. Unmittelbare Auswirkungen auf die Bewerbung Hamburgs um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 bestehen durch die heutige Entscheidung des IOC nicht. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird mit Unterstützung der Bundesregierung dem IOC eine selbstbewusste und überzeugende Bewerbung vorlegen, die insbesondere die Potenziale der IOC-Reformagenda 2020 aufnehmen wird."