Die NADA übt wegen der nicht weiterverfolgten Clenbuterol-Fälle der Olympischen Spiele von Peking scharfe Kritik am IOC und fordert die Wiederaufnahme der Untersuchungen. "Ein Ergebnis zu bekommen, es automatisch mit möglicher Fleischkontamination in Zusammenhang zu bringen und dann den Fall einfach zu schließen, reicht nicht aus", sagte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer im SID-Interview. Eine Wiederaufnahme der Fälle halte er für "sinnvoll": "Man sollte schon noch versuchen, zu rekapitulieren, wie es zu den positiven Fällen gekommen ist."
In den Peking-Fällen dränge sich der Eindruck auf, dass mit verschiedenem Maß gemessen worden sei. "Eine konsequente Einzelfallbetrachtung und die Beweislastumkehr auf den Athleten hätte verhindert, dass dieser Eindruck entsteht", sagte Mortsiefer. Er kritisierte, dass sich das IOC und die WADA erst zu dem Fall geäußert hätten, als "medialer Druck" entstanden sei. "Da muss man sich nicht beschweren, wenn einem mindestens fehlende Transparenz vorgeworfen wird."
Es sei bekannt, dass China "in puncto Clenbuterol Probleme hat", da wäre es durchaus "nach detaillierter Einzelfallbetrachtung und Schilderung der Sachlage" nachvollziehbar gewesen, wenn Fälle eingestellt worden wären. "So aber bleibt ein problematischer Beigeschmack", sagte Mortsiefer: "Das alles sind auch Voraussetzungen für einen glaubwürdigen Anti-Doping-Kampf weltweit. Hier geht es um Einhaltung von Regeln, die wichtig sind."
Der Chefjustiziar der NADA bezeichnete es zudem als "problematisch", wenn das IOC bei Olympischen Spielen "die Tests selber durchführt, das Ergebnismanagement durchführt und dann auch die Sanktionen verhängt - und dann acht, neun Jahre später plötzlich die WADA in die Pflicht nimmt."
"Schockierender Vorgang"
DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat die Clenbuterol-Fälle der Olympischen Spiele 2008 in Peking als "weiteren schockierenden Vorgang" bezeichnet. "All diese Fälle führen naturgemäß immer wieder dazu, dass die große Frage im Raum steht, ob weltweite Chancengleichheit gegeben ist", sagte Hörmann im SWR2-Interview.
Auch Doping-Experte Fritz Sörgel wirft dem IOC im Zusammenhang mit den nicht weiter verfolgten Clenbuterol-Fällen der Olympischen Spiele 2008 in Peking systematische Vertuschung vor. "Warum hat man die Problematik nicht öffentlich gemacht? Weil sich einfach nichts ändert im IOC: Wenn man kann oder man sich unsicher ist, gibt es im IOC den Reflex, Sachen zu vertuschen", sagte Sörgel dem SID.
IOC und WADA hatten im Anschluss von Recherchen der ARD-Dopingredaktion eingeräumt, dass bei Nachtests 2016 bei "mehreren Athleten aus mehreren Ländern und mehreren Sportarten sehr niedrige Clenbuterol-Werte" nachgewiesen worden seien. Nach Angaben von WADA-Generalsekretär Oliver Niggli seien auch jamaikanische Sprinter betroffen gewesen.
Die Fälle seien nicht weiter verfolgt worden, weil die Clenbuterol-Werte auch mit dem Konsum von verunreinigtem Fleisch zu erklären waren und es für die betreffenden Athleten praktisch unmöglich sei, nach so langer Zeit noch den Unschuldsbeweis zu führen. "Hunderte Fälle" wären seitdem auf diese Weise eingestellt worden.