Nur einen Tag nach neuen Hinweisen auf systematisches Doping bei den russischen Schwimmern steht auch China unter massivem Verdacht. Nach Angaben der englischen Tageszeitung The Times sollen innerhalb kurzer Zeit fünf positive Proben von chinesischen Schwimmern vertuscht worden sein. Viereinhalb Monate vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro steht damit nach der Leichtathletik eine weitere olympische Kernsportart unter Druck. Den Chinesen könnten sogar weitreichende Konsequenzen bis hin zu einer kompletten Suspendierung des gesamten Verbandes drohen.
Die Times beruft sich dabei auf anonyme Quellen innerhalb des chinesischen Verbandes, die die Zeitung darum gebeten haben sollen, die Informationen an die Welt-Anti-Doping-Agentur weiterzuleiten. Aufgrund der staatlichen Überwachung sei ihnen das selbst nicht möglich. Die fünf positiven Proben seien versteckt worden, um vor der chinesischen Olympia-Ausscheidung im kommenden Monat Unruhe zu vermeiden. Die WADA untersuche nach Angaben der Times derzeit die Vorwürfe.
Bereits am Dienstag hatte die Zeitung neue Hinweise auf flächendeckendes Doping bei den russischen Schwimmern veröffentlicht. Demnach soll Sergej Portugalow, einer der vermeintlichen Drahtzieher im Skandal um die russischen Leichtathleten, auch im Schwimmen tätig gewesen sein und das Nationalteam aufgefordert haben, ein systematisches Dopingprogramm einzuführen.
Trainingszentrum an Labor angeschlossen
Zudem berichtet die Zeitung davon, dass zwei positive Tests russischer Schwimmer vertuscht worden seien. Außerdem soll eine "führende Person" im russischen Schwimmverband gegenüber einem Trainer zugegeben haben, dass in mindestens einem Trainingszentrum ein pharmakologisches Labor angeschlossen sei. Die WADA kündigte am Mittwochabend eine Untersuchung an.
Sollten sich im Falle Chinas die Vorwürfe bestätigen, wäre sogar eine komplette Suspendierung des Verbandes im Bereich des Möglichen. Nach den Statuten des Weltverbands FINA ist dies möglich, wenn es innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vier oder mehr Verstöße gegen die Anti-Doping-Vorschriften gibt. "Wenn entsprechende Nachweise gegeben sind, bin ich immer dafür, dass die Regularien auch umgesetzt werden", sagte Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes, dem SID.
Die chinesischen Schwimmer stehen seit langem unter Verdacht. Große Aufregung hatte es um Doppel-Olympiasieger Sun Yang, ein Konkurrent von Paul Biedermann, gegeben. Chinas Vorzeigeschwimmer war im Mai 2014 positiv auf das verbotene Stimulans Trimetazidin getestet worden, aber nicht mit der üblichen zweijährigen Sperre belegt, sondern nur für drei Monate verbannt worden. Als der Fall bekannt wurde, war die Sperre längst abgelaufen, und Sun hatte bei den Asienspielen schon wieder dreimal Gold gewonnen.
Gesperrter Trainer arbeitet weiter
Gleichzeitig mit den neuen Vorwürfen gegen China waren Berichte aufgetaucht, wonach der umstrittene und lange gesperrte Trainer Zhou Ming wieder mit Schwimmern arbeiten würde. Zhou gilt als Drahtzieher des Dopingskandals in den 1990er Jahren, als Dutzende junge chinesische Schwimmer positiv getestet wurden.
Erst im November vergangenen Jahres hatte der Todesfall einer Nachwuchsschwimmerin die Szene erschüttert. Die 17-jährige Qing Wenyi war wenige Wochen nach ihren zwei Titeln bei den chinesischen Jugendmeisterschaften während eines Trainingslagers zusammengebrochen und gestorben.