Fabio Quagliarella blickt auf eine sensationelle Woche zurück. Sowohl international bei Chelsea als auch in der Liga gegen Chievo wurde der in seiner Karriere oft verkannte Stürmer zum Matchwinner für Juventus. Der Serie A-Kolumnist, klopft sich auf die Schulter.
Es wird Zeit, endlich mal einen Mann zu loben, der wirklich ein Auge für Talente hat. Sprechen wir von... mir! "Oh, mein Gott, jetzt dreht er völlig durch", höre ich Sie, liebe User, laut aufstöhnen und mir Größenwahn vorwerfen. Doch davon kann keine Spur sehr. Schließlich hatte ich in der Vergangenheit einfach häufig Recht mit meinen Einschätzungen über die Zukunftsaussichten blitzartig hochgejubelter junger Fußballer.
Sternkopf und Ricken richtig eingeschätzt
Schon Jahre bevor Gerhard Schröder mit "Bild, BamS und Glotze" die Republik regieren konnte, genügten mir kicker, Sport Bild und ran oder, wenn die stets klamme Teenager-Kasse den kicker nicht finanzieren konnte, auch nur Sport Bild und ran, um hoffnungsvolle Talente treffend einschätzen und abzukanzeln zu können. Hören wollte es keiner, meine Freunde interessierten sich zwar für Fußball, aber eigentlich nur dann, wenn der Ball rollte, weniger für das Drumherum. Bei Michael Sternkopf zum Beispiel war ich mir schon vor seinem Wechsel zu Bayern München völlig sicher, dass der nie ein Großer werden würde.
Ob das an meinem enormen Fachwissen lag, dass ich diese treffende Einschätzung fand oder ob es doch einfach nur der Neid auf seine volle Haarpracht angesichts von erblich bedingtem Haarausfall in meiner Familie war oder es nur daran lag, dass Sternkopf mit seiner Matte einem mir nicht unbedingt hochsympathischen Mitschüler verblüffend ähnlich sah? Tja, so sicher bin ich mir da nicht mehr. Aber ist ja auch egal. Wichtig ist eh nur: Am Ende hatte ich Recht. Genau wie bei Lars Ricken. Der hatte Borussia Dortmund gerade zum Champions League-Titel geschossen, als ich mein vernichtendes Urteil über ihn fällte.
"Der kommt trotzdem nie über den Status ewiges Talent hinaus", analysierte ich trotzig. Gut, die Tatsachen, dass Ricken Borussia Dortmund ausgerechnet am Abend unserer ersten Abiparty und dann auch noch im Stadion meines Lieblingsclubs zur europäischen Krone geschossen hatte und ich zu allem Überfluss auch noch Fahrer war und daher meinen Kummer nicht in Alkohol ertränken konnte, dürften mein hartes Urteil etwas beeinflusst haben. Aber hatte ich am Ende Recht? Eben und nur das zählt schließlich. Also, nix mit Größenwahn.
Quagliarella - der strahlende Held von Juventus Turin
Doch was hat diese lange Vorrede nun eigentlich mit der Serie A zu tun, um die es in der Fuorigioco-Kolumne auf sportal.de doch eigentlich gehen sollte? Natürlich 'ne Menge... denn wer hat immer gewusst, was in Fabio Quagliarella, dem momentan strahlenden Helden von Juventus Turin, steckt? Richtig, ich. Schon 2008, als sportal.de die Teams der einzelnen EM-Teilnehmer vorgestellt und über mögliche Shooting-Stars spekuliert hatte, hatte ich mich für den damaligen Udinese-Stürmer entschieden.
Gut, er schlug dann nicht direkt ein, konnte auch nicht wie von mir geunkt als Joker glänzen. Eigentlich fiel er gar nicht groß auf. Im Anschluss schoss er zwar seine Tore, wechselte aber mehrfach den Club und landete über Napoli schließlich bei Juve. Dort war er lange durch einen Kreuzbandriss außer Gefecht gesetzt. Doch ist er jetzt aber - "nur" vier Jahre nach dem von mir prognostizierten großen Durchbruch dank seines Tores gegen Chelsea in der Champions League und dem Doppelpack gegen Chievo der strahlende Held und erlebte die "schönste Woche meiner Karriere".
Setzt sich Quagliarella endlich durch?
"Nur vier Jahre später?", werden Sie jetzt nicht ganz zu Unrecht einwenden, falls Sie Quagliarellas Karrieremotto nicht kennen sollten. "Wer langsam macht, kommt auch ans Ziel. Ich bin wie eine kleine Schnecke", kommentierte er allerdings einmal grinsend seinen insgesamt sehr gemächlichen Karriereverlauf, in dem er wie eine Pfandflasche quer durch Italien verkauft und verliehen worden war. Von daher liegt er eigentlich genau im Zeitplan.
Wie passend wäre es daher, wenn sich der Beidfüßer, der Distanzschüsse, Heber, Kopfbälle, aber auch Fallrückzieher in seinem Repertoire hat, sich nun im reiferen Fußballeralter von 29 Jahren bei einem Club richtig etablieren könnte. Seine Vorzüge hatte schon Roberto Donadoni vor vier Jahren erkannt. "Er weicht auf die Flügel aus, schafft so Platz in der Mitte, und zieht doch immer zur richtigen Zeit nach innen und sucht den Abschluss", beschrieb Italiens Ex-Nationaltrainer damals Quagliarellas Spielweise.
Qualitäten, die Juve jetzt sehr gelegen kämen, da man schon seit längerem nach einem Partner für Mirko Vucinic sucht, Alessandro Matri, Nicklas Bendtner oder Sebastian Giovinco nicht restlos überzeugen konnten. Bei Juve hofft man nun auf Quagliarella. Und auch ich, obwohl Inter-Fan, drücke ihm und der Alten Dame beide Daumen - auch jetzt gegen Florenz. Schließlich möchte ich auch bei ihm am Ende mal wieder Recht behalten, egal, wie lange ich noch warten muss. Bei ihm kann ich jedenfalls sicher sein, ihn nicht aufgrund irgendwelcher niederer Beweggründe beurteilt zu haben, wie bei Sternkopf oder Ricken, sondern einzig und allein, weil er mich fußballerisch überzeugt hatte.