Als Pressesprecher Jens Grittner den Journalisten vor der Pressekonferenz einen guten Tag wünschte, musste Marcus Sorg nebenan auf dem Podium lachen. "Für mich ist jeder Tag hier ein schöner Tag", sagte der 50-Jährige. Und man nahm es ihm ab.
Dem daneben sitzenden Thomas Schneider gefällt der Job als Co-Trainer der Nationalmannschaft sogar so gut, "dass ich mir durchaus vorstellen könnte, bis Katar weiterzumachen", wie er schmunzelnd erklärte. Er meinte die WM 2022, in sechs Jahren. Und dann ergänzte er ernsthaft: "Solange Jogi Löw Cheftrainer ist und mit meiner Arbeit, solange unterstütze ich ihn."
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Dass Löws Helfer ihren Job gegen nichts in der Welt tauschen möchten, sei kein Wunder, meinen Spötter. Schließlich dauerte die Karriere von Sorg als Bundesliga-Trainer 2011 beim SC Freiburg nur 181 Tage. Und war damit sogar 14 Tage kürzer als die von Schneider (43) bei seinem bisher einzigen Erstliga-Engagement beim VfB Stuttgart. Heute sind die beiden die wichtigsten Zuarbeiter von "Supervisor" Löw beim Weltmeister.
Sorg, der mit der deutschen U19 vor zwei Jahren Europameister wurde und nach den Olympischen Spielen im Herbst Horst Hrubesch bei der U21 ablösen wird, kommt als "Tribünen-Adler" dabei eine besondere Aufgabe zu. "Marcus schaut die erste Halbzeit auf der Tribüne. Was er sieht, fließt in die Halbzeit-Analyse ein", verriet Schneider. Und Sorg erklärte: "Das Zeitfenster ist geringer als im Verein. Deshalb braucht man mehr Manpower, um die wenige Zeit zu nutzen."
Sorg: "Neuer Impuls für mich"
Sorg und Schneider - zwei ehemalige Cheftrainer, die komplett in ihrer neuen Rolle aufgehen? "Für mich, der 17 Jahre hauptberuflich Trainer war und immer entschieden hat, ist das ein neuer Impuls", erklärte Sorg vorsichtig: "Aber wenn man sich nicht an der Front sieht und sich zurückhält, macht der Job Spaß. Auch wenn man vorher Cheftrainer war."
Als Hütchenaufsteller sehen sich die beiden nicht. Sie erarbeiten mit Löw die Trainingspläne und leiten auf dem Platz dann eigenständig Gruppen. Auch Schneider fühlt sich nach eigener Auskunft als Zulieferer pudelwohl. Seine Aufgabe sei es, Löw "viele Details für eine gute Entscheidungsgrundlage zu liefern". Fast wortgleich drückte es Sorg aus: "Thomas und ich versuchen, den Trainer so zu unterstützen, dass er sich in der Entscheidungsfindung sicherer sein kann."
Da muss man "den Jogi fragen"
Das klingt extrem loyal, fast schon demütig. Erschien Schneider bei dieser EM mal auf der Pressekonferenz, gab er denn auch selten etwas preis. Das dürfe er nicht sagen, antwortet er dann schon mal. Oder: da müsse man eben "den Jogi fragen".
Dabei ist der Co-Trainer-Posten bei der Nationalelf ein Sprungbrett. Helmut Schön beerbte einst seinen Chef Sepp Herberger, Jupp Derwall wiederum Schön. Löw wurde erst Assistent von Jürgen Klinsmann und dann Chef. Sein Dauer-Helfer Hansi Flick stieg nach dem WM-Triumph 2014 zum DFB-Sportdirektor auf.
Ob Schneider und Sorg auf ähnliche Weihen hoffen dürfen, bleibt abzuwarten. Sorg macht im Herbst als Hrubesch-Nachfolger schon mal einen Sprung. Doch als Zulieferer fühlen sich die beiden derzeit ja pudelwohl.