Der Iran fährt zum vierten Mal zu einer Weltmeisterschaft. Trainer Carlos Queiroz setzt auf das Kollektiv, der größte Star wurde aus den Niederlanden rekrutiert und weibliche Anhänger müssen auf dem Sofa bleiben.
Die ganz große Fußball-Revolution im Iran wird wohl auch FIFA-Präsident Joseph S. Blatter nicht so schnell erreichen. "Ich habe angeregt, dass über das Verbot von Frauen als Stadionzuschauer diskutiert werden soll", sagte der mächtigste Mann des Weltfußballs bei einer Visite in Vorderasien. Bislang ist in Spielstätten des streng islamischen Landes ein gemischtes Publikum verboten, um den weiblichen Teil der Bevölkerung vor Flüchen der Männer zu schützen.
So mussten die Frauen unter den Fans der Nationalmannschaft den Siegeszug in Richtung Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien vom Sofa aus verfolgen. Noch vor Geheimfavorit Südkorea und der Überraschungsmannschaft Usbekistan beendete das "Team Melli" seine Qualifikationsgruppe als Erster und stellte so ziemlich souverän die vierte WM-Teilnahme nach 1978, 1998 und 2006 sicher.
Queiroz: "Es war nicht einfach"
Nicht nur für den Iran ein besonderer Moment, sondern auch für Trainer Carlos Queiroz, der als erster portugiesischer Coach zwei Weltmeisterschaften in Folge erreichte. 2010 hatte der ehemalige Assistent von Sir Alex Ferguson bei Manchester United noch sein Heimatland zur Endrunde geführt.
"Es war nicht einfach, denn wir mussten einige weniger populäre Entscheidungen treffen. Aber die Botschaft war klar: Niemand steht über dem Team", sagte Queiroz, der das Team 2011 übernommen und in der Folge einige frühere Leistungsträger aussortiert hatte.
Prunkstück von Queiroz ist die Abwehr um Routinier Jalal Hosseini (FC Persepolis), die in 14 Partien nur sieben Gegentreffer hinnehmen musste. In Deutschland bekannt sind vor allem der frühere Wolfsburger Ashkan Dejagah, der in London beim Premier-League-Klub FC Fulham unter Vertrag steht, und Braunschweigs Torhüter Daniel Davari, der für den Iran im November sein Länderspieldebüt gab und beim 3:0 gegen Thailand ohne Gegentreffer blieb.
Ghoochannejhads unfassbare Trefferquote
Eigentlicher Shootingstar der Perser ist aber Reza Ghoochannejhad. Der 26-Jährige wuchs in den Niederlanden auf, spielt inzwischen bei Standard Lüttich in Belgien und wurde vergangenes Jahr für sein Geburtsland rekrutiert, nachdem er in der Jugend noch diverse U-Nationalmannschaften der Oranje durchlaufen hatte.
Mit Erfolg: In seinen bisher zehn Länderspielen traf der Gucci genannte Mittelstürmer achtmal, unter anderem zum für die Qualifikation entscheidenden 1:0-Sieg beim Hauptkonkurrenten Südkorea. Und auch Ghoochannejhad weiß um die Bedeutung des Kollektivs: "Wir haben eine perfekte Balance in unsererem Kader, junge Talente und erfahrene Spieler. Wir können mehr, wenn wir als Gruppe arbeiten."
Sportlich wird es für den Iran in Brasilien sicher schwierig, die Vorrunde zu überstehen. Strukturell soll der Trip so oder so ein Erfolg werden, wenn es nach Queiroz geht: "Unsere Teilnahme muss dazu führen, dass es bei uns bessere Plätze gibt, eine bessere Liga, bessere Trainer und attraktiveren Fußball." Und vielleicht auch weibliche Zuschauer.