Zumindest eines steht beim Hamburger SV seit Donnerstagabend fest: Felix Magath wird nicht auf den Trainerstuhl des akut abstiegsbedrohten Vereins zurückkehren. Die Zukunft von Bert van Marwijk bleibt dennoch unklar.
Auf einer Podiumsdiskussion dozierte Felix Magath am Donnerstagabend über Feinheiten des Schachspiels - er selbst wird beim Hamburger SV aber keine Königsposition übernehmen. Der Favorit von Teilen des Aufsichtsrates auf die Nachfolge des erfolglosen Bert van Marwijk erteilte dem Traditionsverein im Chaos eine Absage. "Ich stehe nicht mehr zur Verfügung", sagte der 60-Jährige dem Hamburger Abendblatt.
Es war eine Absage, deren Wert zweifelhaft war. Offensichtlich hatte es im Aufsichtsrat des HSV ohnehin nicht die nötige Zweidrittelmehrheit pro Magath gegeben, der den abstiegsbedrohten Traditionsverein von 1995 bis 1997 trainiert hatte.
Van Marwijk stellte am Donnerstagmorgen beim Training nach dem demütigenden 0:5 im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Bayern München die Hütchen auf, als wäre nichts gewesen. Nur die schwarze Farbe seines Trainingsanzugs passte zum erschreckenden Bild, das der völlig zerstrittene und von Intrigen gebeutelte Traditionsklub in diesen Tagen abgibt.
Die Nerven liegen blank
Vor dem Abstiegs-Krimi bei Eintracht Braunschweig am Samstag (15.30 Uhr) liegen im gesamten Verein weiter die Nerven blank. Der Poker um Felix Magath immerhin ist beendet - allerdings nicht ohne großen Knall.
Denn wie es Magaths Art ist, meldete er sich auch erneut via Facebook zu Wort und kritisierte die zuständigen HSV-Gremien scharf. Eine klare Absage vermied er in seiner Stellungnahme. "Es tut mir sehr leid, Euch keine bessere Nachricht zu übermitteln. Mit Euch wäre ich den Weg wirklich gerne gegangen", schrieb der Held des Europapokal-Finals von 1983 den Fans. "Leider beharren im HSV zu viele der alten Kräfte auf ihren Positionen, sind an einem ehrlichen Neuanfang nicht interessiert. Teile des Aufsichtsrates, der Vorstand sowie die Initiatoren der Gruppe HSVplus haben sich gegen mich gestellt", teilte Magath mit.
Daraus schloss er, dass der HSV nahezu handlungsunfähig sei: "Wie soll man mit solchen Voraussetzungen einen Verein erfolgreich durch den Abstiegskampf führen? Einigkeit im Verein hat oberste Priorität, ohne sie kann nichts gelingen. Diese notwendige Einigkeit herzustellen, scheint bei diesen unüberschaubaren Gruppen und Einzelinteressen kaum machbar."
Maulkorb für Spieler
Mit diesen widerstrebenden Strömungen hat auch Oliver Kreuzer enorm zu kämpfen. "Van Marwijk sitzt in Braunschweig auf der Bank", rief der Sportchef den wartenden Journalisten am Donnerstag am Trainingsgelände zu. Kurz danach hängte der Klub seinen Spielern einen Maulkorb um. Bis zur richtungweisenden Partie beim Tabellenletzten Braunschweig soll geschwiegen werden - das gilt auch für den Vorstand um Vereinspräsident Carl Jarchow und Kreuzer. Das Sagen haben beim HSV ohnehin andere.
Wer den Bundesliga-Dino vor dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte retten soll? Unklar. Am Mittwochabend hatte Aufsichtsratschef Jens Meier ein Bekenntnis zum amtierenden Vorstand und van Marwijk verweigert. "Wir sind hier im Profifußball und nicht bei einer Kindergartenveranstaltung", sagte Meier bei Sky, "Trainer und Manager müssen Druck aushalten können." An der Elbe kursiert nun der Name Mirko Slomka.
Jarchow, Kreuzer und van Marwijk extrem beschädigt
Durch die öffentliche Debatte um Magath sind Jarchow, Kreuzer und van Marwijk extrem beschädigt. Die Zukunft des Trios in Hamburg ist offen. "Ob etwas passiert, wann etwas passiert, kann ich nicht beeinflussen", sagte Kreuzer, "das sind wohl die schwersten Tage meiner Karriere."
Der HSV befindet sich im freien Fall Richtung 2. Liga. Nach der historischen Grusel-Serie von sechs Bundesliga-Niederlagen nacheinander und dem Debakel gegen Bayern gleicht die Mannschaft einem Trümmerhaufen. Auch gegen die Münchner präsentierte sich der HSV völlig verunsichert.
Van Marwijk versucht unterdessen, nicht zu verzweifeln. "Unser Fokus liegt jetzt auf Samstag", sagte er, "auf dem wichtigsten Spiel des Jahres." Gut möglich, dass er da gar nicht mehr auf der Bank sitzt.