Dem THW Kiel droht die erste Saison ohne Titel seit 13 Jahren, doch der deutsche Handball-Rekordmeister fühlt sich in der Rolle des Außenseiters vor dem Final Four der Champions League pudelwohl. "Wir haben Barcelona geschlagen, also können wir auch alle anderen Gegner schlagen", sagte Manager Thorsten Storm nach dem überraschenden Viertelfinalerfolg gegen den Titelverteidiger vor dem Halbfinale in Köln am Samstag (18.00 Uhr im LIVETICKER). Dort wartet der ungarische Meister MVM Veszprem.
Trotz eines unglaublichen Verletzungspechs hat es die Mannschaft von Trainer Alfred Gislason zum fünften Mal in Folge zum Saisonhöhepunkt geschafft, jetzt soll ungeachtet der bärenstarken Konkurrenz der vierte Triumph in der Königsklasse folgen. "Wir sind schon als Favorit hier hergekommen und deprimiert nach Hause gefahren. Wir sind auch schon als Außenseiter angereist und haben das Turnier als Sieger verlassen", sagte Gislason am Freitag.
Klein: "Wollen das Turnier genießen"
Druck verspüren die Kieler nicht - auch wenn die schier unersättlichen Titelsammler am Ende der Saison erstmals seit 2003 mit leeren Händen dastehen könnten. "Wir wollen das Turnier genießen", sagte Gislason. Dominik Klein kennt die besonderen Umstände der Veranstaltung. "Die Herausforderung liegt darin, innerhalb von 24 Stunden zweimal Höchstleistungen abzurufen. Bei uns geht es über die Emotionen", sagte Klein, der den THW am Saisonende nach zehn Jahren in Richtung Nantes verlassen wird.
Top-Favorit ist das Starensemble von Paris St. Germain. Die Franzosen mit den Topstars Mikkel Hansen, Nikola Karabatic und Daniel Narcisse treffen im ersten Halbfinale am Samstag (15.15 Uhr) auf den polnischen Meister KS Vive Kielce mit Europameister Tobias Reichmann. "Dieses Final Four ist eines der stärksten aller Zeiten, wir reisen bestimmt nicht als Favorit nach Köln", sagte Gislason.
Während Paris sich erstmals für das Final Four qualifiziert hat, setzen die Kieler auf ihre Erfahrung und das Publikum in der an beiden Tagen mit 20.000 Zuschauern ausverkauften Kölner Arena. "Wir sind krasser Außenseiter. Jetzt müssen wir alle gemeinsam das Final Four zu einem Heimspiel machen", sagte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak.
In Veszprem wartet aber schon eine knifflige Aufgabe, zumal die personelle Situation beim THW weiter angespannt ist. Europameister Steffen Weinhold wird nach seinem Mittelhandbruch wohl ausfallen, Rene Toft Hansen steht ebenfalls nicht zur Verfügung. Storm bleibt aber gelassen. "Mit uns haben in diesem Jahr sicher wenige gerechnet - mitten im Umbruch und nach all dem Verletzungspech. Aber wir sind wieder hier", sagte Storm.
Neuerung für Schiedsrichter
Soll der Traum vom ganz großen Wurf auch beim Final Four Wirklichkeit und damit eine zusätzliche Prämie von 500.000 Euro eingespielt werden, muss auch Torhüter Niklas Landin wieder zur Höchstform auflaufen. "Wir brauchen einen guten Torhüter und eine stabile Abwehr. Wenn man Veszprem schlagen will muss alles passen", sagte Gislason.
Eine Neuerung wird es unterdessen für die Schiedsrichter geben. Sie können den Videobeweis nicht nur bei der Frage "Tor oder kein Tor?" nutzen, sondern auch Szenen außerhalb des Torraums von TV-Wiederholungen überprüfen lassen. "Sie können eine Szene bei ruhendem Ball überprüfen, um sich zu vergewissern", sagte EHF-Generalsekretär Michael Wiederer und bezeichnete den Einsatz als "mutig von uns, dass wir das einführen, ohne dies drei Jahre auf unteren Ebenen geprobt zu haben."