Sie zündeten Leuchtraketen, warfen mit Absperrgittern und gröhlten fiese Parolen. Die Wut einiger Fans des Hamburger SV über den neuerlichen Tiefschlag im Abstiegskampf entlud sich in Randale vor dem Stadion - die Klub-Verantwortlichen flüchteten in Durchhalteparolen und erhoben das Erreichen des 16. Platzes zur neuen Maxime. Die Relegation wird angesichts des schwierigen Restprogramms immer mehr zum letzten Strohhalm des taumelnden Bundesliga-Dinos - dabei droht nach der hilflosen Darbietung beim 1:3 (0:2) gegen den VfL Wolfsburg der direkte Abstieg.
"Ich werde zu Gott beten, dass wir in der Liga bleiben. Nur Gott kann uns jetzt noch helfen", sagte HSV-Spielmacher Hakan Calhanoglu nach der erneuten Gruselvorstellung seines Teams.
Und selbst Dauer-Optimist Mirko Slomka scheint den Glauben an Platz 15 vor den verbleibenden Partien in Augsburg und Mainz sowie dem Heimspiel gegen Bayern München verloren zu haben. "Auch der Relegationsplatz kann ein Ziel sein, wenn man seine Heimspiele nicht gewinnt", sagte der HSV-Trainer nach der achten Saison-Niederlage im eigenen Stadion (Vereinsrekord) mit ernster Miene und schickte seinen Co-Trainer am Ostersonntag zur Spielbeobachtung des möglichen Relegationsgegners nach Paderborn: "Wir müssen uns professionell vorbereiten."
Katastrophale Fehler
Draußen vor den Stadiontoren explodierte zeitgleich der aufgestaute Ärger der Anhänger. Rund 120 vermummte Chaoten randalierten am späten Samstagabend vor dem Spielereingang. Sie attackierten die Sicherheitskräfte und warfen mit Gegenständen. Nur massive Polizeipräsenz verhinderte eine weitere Eskalation und entschärfte die Situation.Das Hamburger Team hatte sich in den 90 Minuten zuvor wie ein Absteiger präsentiert. Mutlos, ideenlos, chancenlos: Die Hanseaten zeigten sich kämpferisch (nur eine Gelbe Karte) und spielerisch kaum konkurrenzfähig. "Wir haben in der ersten Hälfte viele katastrophale Fehler gemacht. Wolfsburg war von der ersten bis zur 90. Minute besser", sagte Nationalspieler Heiko Westermann.
Während der VfL von Beginn an hinten voll in die Zweikämpfe ging und nach vorne direkt und schnörkellos agierte, wirkten die Hamburger in der Defensive wackelig und ließen ohne ihren Top-Torjäger Pierre-Michel Lasogga (Muskelfaserriss im Oberschenkel) jeglichen Zug zum Tor vermissen. Von der zuletzt gezeigten Heimstärke mit elf Punkten aus fünf Spielen war nichts zu spüren.
"Irgendwann ist Schluss..."
"Sie haben nichts gezeigt", sagte VfL-Angreifer Ivica Olic der "Bild"-Zeitung. Der frühere Hamburger Publikumsliebling, der die HSV-Pleite mit dem Treffer zum 3:0 (49.) kurz nach der Pause besiegelte, sieht für seinen Ex-Verein schwarz. "Das wird ganz, ganz schwer. Ich habe nicht viel Optimismus für die HSV-Rettung." Zuvor hatten bereits Ivan Perisic (2.) und Kevin de Bruyne (42.) für klare Verhältnisse gesorgt. Der Anschlusstreffer von Ivo Ilicevic (58.) war nicht mehr als Ergebniskosmetik.Im Endspurt des Abstiegskampfes drohen den Hamburgern nun auch noch die Spieler auszugehen. Gegen Wolfsburg fielen neben den verletzten Stammspielern Rafael van der Vaart, Marcell Jansen, Maximilian Beister, Lasogga und Milan Badelj kurzfristig noch die Verteidiger Johan Djourou und Jonathan Tah aus. Tah meldete sich am Spieltag mit einer Grippe ab, Abwehrchef Djourou zog sich beim Aufwärmen eine Adduktorenverletzung zu. "Irgendwann ist Schluss, dann hält eine Mannschaft all diese personellen Rückschläge nicht mehr aus", stellte HSV-Manager Kreuzer resigniert fest.
Und so stehen die Zeichen im Norden unweigerlich auf Abstieg. Die letzte Hoffnung ist Hilfe von oben.