Fortuna Düsseldorf ist in den ersten drei Saisonspielen ohne Gegentor geblieben - als zwölftes Team in der Bundesligageschichte. Wir haben uns die Vorgänger angesehen und stellen fest: Zwei sind abgestiegen. Zwei sind Meister geworden. Quo vadis, Fortuna?
Es gab in der Geschichte der Bundesliga vor Düsseldorf schon elf Mannschaften, die zum Saisonstart mehr als 270 Minuten ohne Gegentor blieben. Wir haben uns alle Beispiele mal angesehen.
Rot-Weiss Essen 1970/71
Trainer: Herbert Burdenski
Defensive: Fred-Werner Bockholt - Klaus Link (Heinz Koch/Peter Czernotzky), Wolfgang Rausch, Hermann Erlhoff, Heinz Stauvermann
Gegentorlos gegen: Hannover 96 (H, 2-0), Arminia Bielefeld (A, 0-0), FC Kaiserslautern (H, 4-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 6. Minute - Bayern München - Rot-Weiss Essen, 1:0 Franz Roth
Am Saisonende: 18., 68 Gegentore - Abstieg
Das Negativbeispiel dafür, wie wenig ein guter Defensivstart über die dauerhafte Stabilität einer Mannschaft aussagen muss. Nach den drei gegentorlosen Spielen war Essen zum ersten Mal in seiner Geschichte Tabellenführer der Bundesliga. Zur Winterpause war RWE noch Achter, am Saisonende hatte das Team nur einen Treffer weniger kassiert als die schlechteste Abwehr der Liga, die von Rot-Weiß Oberhausen.
Rückhalt der Mannschaft war Keeper Fred Bockholt, den manche schon als Konkurrenten von Sepp Maier sahen. Abwehrchef Wolfgang Rausch sollte später zu den Bayern wechseln, wo er Ende der 1970er Jahre einen Stammplatz erobern konnte, ehe er seine Karriere später bei Dallas Tornado in der NASL ausklingen ließ. Die immense Heimstärke im Georg-Melches-Stadion, in dem RWE mehr als 50 Spiele am Stück ungeschlagen blieb, schien eine gute Basis für den erneuten Klassenerhalt nach dem Wiederaufstieg 1969. Doch in den letzten 13 Saisonspielen gab es keinen Sieg mehr.
Besonders bitter: Als einer von nur acht Clubs dieser Saison war RWE nicht in den Bundesliga-Skandal verwickelt. Aber während ringsherum im Abstiegskampf ein Spiel nach dem anderen verschoben wurde, blieben die Essener sauber - und stiegen ab.
Eintracht Frankfurt 1986/87
Trainer: Dietrich Weise
Defensive: Hans-Jürgen Gundelach - Thomas Berthold - Karl-Heinz Körbel, Armin Kraaz
Gegentorlos gegen: Fortuna Düsseldorf (H, 5-0), FC Köln (A, 0-0), FC Nürnberg (H, 1-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 33. Minute - Hamburger SV - Eintracht Frankfurt, 1:0 Heinz Gründel
Am Saisonende: 15., 53 Gegentore
Wie RWE hielt auch die Frankfurter Eintracht 1987 bis zum vierten Spiel durch, und wie die Essener gerieten auch die Hessen dennoch im Laufe der Saison in Abstiegsgefahr. Trainer Weise wurde im Winter durch den bisherigen Co-Trainer Hans-Dieter Zahnleiter ersetzt.
Und wenn Sie sich fragen, warum Sie den nicht kennen - er holte in der Rückrunde nur zehn Punkte, und die Eintracht blieb mit mageren 25 Punkten insgesamt nur deshalb in der Liga, weil es drei außerordentlich schlechte Konkurrenten gab, nämlich Blau-Weiß 90, Fortuna Düsseldorf und Homburg. Die 25 Punkte hätten in den drei Jahren davor und den vier Jahren danach nicht einmal für den Relegationsplatz gereicht.
Vizeweltmeister Thomas Berthold, der nach der Saison zu Hellas Verona wechseln sollte, spielte unter Weise Libero. Zahnleiter schob ihn ins Mittelfeld und brachte Manfred Binz als Abwehrchef. Vor den Liberos gab es das ungleiche Duo Charly Körbel, der Bundesligarekordspieler, und Armin Kraaz, der mit 23 Jahren seine Bundesligakarriere beendete und heute das Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht leitet.
Werder Bremen 1987/88
Trainer: Otto Rehhagel
Defensive: Oliver Reck - Gunnar Sauer - Rune Bratseth, Uli Borowka
Gegentorlos gegen: Hannover 96 (A, 1-0), Karlsruher SC (H, 2-0), FC Kaiserslautern (A, 0-0), VfL Bochum (H, 0-0)
Erstes Gegentor: 5. Spieltag, 69. Minute - Bayer Uerdingen - Werder Bremen, 1:0 Stefan Kuntz
Saisonende: Meister, 22 Gegentore
Anders als die ersten beiden Beispiele war das hier wirklich eine der besten Defensiven, die die Bundesliga je gesehen hat. Otto Rehhagels erster Meistertitel folgte der Umstellung der Spielweise auf die sogenannte "kontrollierte Offensive", einer der unverschämtesten Euphemismen der Fußballgeschichte.
Aber zu verbergen hatte die von Jonny Otten und dem heutigen Werdercoach Thomas Schaaf verstärkte Defensive nichts. Nur einmal in der Bundesligageschichte kassierte ein Meister weniger Gegentreffer in einer Saison - der FC Bayern kam 2007/08 mit 21 aus. Vielleicht kennt Norbert Meier die erfolgreichen Strategien seiner Defensivfortuna aus dieser Saison - spielte er doch im Werder-Trikot im Mittelfeld.
Besonders auswärts war Werder in dieser Spielzeit praktisch unbezwingbar mit nur zehn Gegentoren in 17 Spielen. Einzig Köln und Bayern schafften es, zwei Treffer in einem Spiel gegen die Bremer Gäste zu erzielen. Die vier Tore des HSV im Weserstadion und die drei Treffer von Bremen dort verhinderten eine noch fabelhaftere Marke am Saisonende.
VfB Stuttgart 1989/90
Trainer: Arie Haan
Defensive: Eike Immel - Karl Allgöwer - Nils Schmäler (Guido Buchwald), Alexander Strehmel
Gegentorlos gegen: Karlsruher SC (H, 2-0), FC Köln (A, 0-0), Waldhof Mannheim (H, 1-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 74. Minute - Hamburger SV - VfB Stuttgart, 1:0 Jan Furtok
Saisonende: 6., 47 Gegentore
Im Jahr eins nach Jürgen Klinsmann, der zu Inter gewechselt war, setzte VfB-Trainer Arie Haan auf die Defensive als neue Stärke der zuvor offensiv ausgerichteten Mannschaft. Der ehemalige Stürmer Karl Allgöwer spielte (wie schon früher vereinzelt) Libero.
Aber die defensive Stabilität sollte nicht lange anhalten, und vor allem eine desolate Auswärtsbilanz mit nur sieben Punkten aus 17 Spielen sorgte dafür, dass der VfB sich am Saisonende nicht einmal für den UEFA Cup qualifizieren konnte, den er 1989 im Finale gegen Napoli noch fast gewonnen hatte.
MSV Duisburg 1991/92
Trainer: Willibert Kremer
Defensive: Heribert Macherey - Patrick Notthoff - Alfred Nijhuis, Andreas Gielchen
Gegentorlos gegen: VfB Stuttgart (H, 1-0), Borussia Mönchengladbach (A, 0-0), Wattenscheid 09 (H, 4-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 26. Minute - Bayer Leverkusen - MSV Duisburg, 1:0 Ulf Kirsten
Saisonende: 19., 55 Gegentore - Abstieg
Nur zweieinhalb Jahre, nachdem die Zebras in der Oberliga Nordrhein gespielt hatten, waren sie in der ersten gesamtdeutschen Bundesligasaison als Aufsteiger eine der Überraschungsmannschaften der Hinrunde. Noch am 17. Spieltag trennten den MSV nach einem 1:1 gegen den FC Bayern nur drei Punkte von der Tabellenspitze.
Aber das Team um Ewald Lienen und Michael Tarnat holte nur zehn Punkte aus 19 Rückrundenspielen und stieg nach einem 0:1 gegen den Vizemeister Borussia Dortmund dank Stéphane Chapuisats Tor am Ende wieder die 2. Liga ab, was auch der als Feuerwehrmann Ende April für Kremer geholte Trainer Uwe Reinders nicht verhindern konnte.
FC Kaiserslautern 1997/98
Trainer: Otto Rehhagel
Defensive: Andreas Reinke - Miroslav Kadlec - Harry Koch (Axel Roos/Oliver Schäfer), Michael Schjoenberg
Gegentorlos gegen: Bayern München (A, 1-0), Hertha BSC (H, 1-0), FC Köln (A, 0-0), Schalke 04 (H, 3-0)
Erstes Gegentor: 5. Spieltag, 68. Minute - VfL Bochum - FC Kaiserslautern, 1:1 Thomas Stickroth
Saisonende: Meister, 39 Gegentore
Die zweite Mannschaft in der Bundesligageschichte, die bis zum fünften Spieltag ohne Gegentor blieb, wurde wie die erste von Otto Rehhagel trainiert, und wie Werder 1988 wurde auch der FCK zehn Jahre später Meister. Da Kaiserslautern das als bisher einziger Club als Aufsteiger schaffte, ist der Triumph noch höher einzuschätzen.
Die Saison startete für Rehhagel traumhaft mit einem Sieg beim FC Bayern, wo er keine zwei Jahre zuvor entlassen worden war. Die von Libero Miroslav Kadlec organisierte Abwehr ließ jedoch im Vergleich zur Werder-Elf von 1988 viel mehr Gegentore zu, die 21 Tore von Olaf Marschall waren nicht minder wichtig für den Titel.
Borussia Dortmund 2001/02
Trainer: Matthias Sammer
Defensive: Jens Lehmann - Evanilson, Christian Wörns, Jürgen Kohler (Christoph Metzelder), Dede (Jörg Heinrich)
Gegentorlos gegen: FC Nürnberg (H, 2-0), Hertha BSC (A, 2-0), VfL Wolfsburg (H, 4-0), Hansa Rostock (A, 2-0)
Erstes Gegentor: 5. Spieltag, 22. Minute - Borussia Dortmund - Bayern München, 0:1 Hasan Salihamidzic
Saisonende: Meister, 33 Gegentore
Merke: Wer in seinen ersten vier Saisonspielen in der Bundesliga ohne Gegentor bleibt, wird immer Meister. Ds galt zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. So auch im Fall von Dortmunds großer (und teurer) Elf von 2001/02, in der Marcio Amoroso, Tomas Rosicky und Jan Koller vorne wirbelten, während hinten die Routiniers Kohler, Wörns und Reuter aufräumten.
Anders als bei den vorherigen Beispielen sah man hier erstmals eine Defensive, die nicht mehr mit Libero und Manndeckern agierte, sondern moderne Raumdeckung praktizierte.
Hansa Rostock 2002/03
Trainer: Armin Veh
Defensive: Mathias Schober - Gerd Wimmer, Andreas Jakobsson, Jochen Kientz, Ronald Maul
Gegentorlos gegen: 1860 München (A, 2-0), FC Nürnberg (H, 2-0), Energie Cottbus (A, 4-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 5. Minute - Hansa Rostock - Bayer Leverkusen, 0:1 Oliver Neuville
Saisonende: 13., 41 Gegentore
Armin Vehs Schwedenensemble (teils spielten fünf Schweden gleichzeitig mit Jakobsson, Rade Prica, Joakim Persson, Marcus Lantz und Peter Wibran, Magnus Arvidsson war auch noch da) legte mit dem furiosen Saisonstart die Grundlage für den Klassenerhalt. Dieser gelang tatsächlich mit einer sehr guten Defensive, der besten in der unteren Tabellenhälfte.
Der auf Konter angelegte Fußball des Abstiegskandidaten war sehr effizient und konnte so das Fehlen eines echten Torjägers kompensieren. Rade Prica war mit sieben Toren der beste Hansa-Angreifer dieser Saison.
VfB Stuttgart 2003/04
Trainer: Felix Magath
Defensive: Timo Hildebrand - Andreas Hinkel, Fernando Meira, Marcelo Bordon, Heiko Gerber (Philipp Lahm)
Gegentorlos gegen: Hansa Rostock (A, 2-0), Hertha BSC (H, 0-0), Borussia Mönchengladbach (A, 1-0), FC Kaiserslautern (H, 2-0), Schalke 04 (A, 0-0), Borussia Dortmund (H, 1-0), 1860 München (A, 3-0), FC Köln (H, 0-0)
Erstes Gegentor: 9. Spieltag, 60. Minute - Werder Bremen - VfB Stuttgart, 1:2 Angelos Charisteas
Saisonende: 4., 24 Gegentore
Eigentlich hätte der VfB mit dieser Bilanz und Timo Hildebrands Rekord von 884 Minuten ohne Gegentor mehr aus der Spielzeit herausholen müssen als nur Platz vier. Felix Magath ging nach der Saison zum FC Bayern. Im Laufe des starken Saisonstarts hatte er Philipp Lahm zu seinem Bundesligadebür verholfen.
Der Kader der Stuttgarter war exzellent, vorne mit Kevin Kuranyi neben Cacau, Zvonimir Soldo als Sechser und Horst Heldt hinter den Spitzen. Die achteinhalb Spiele ohne Gegentor zum Saisonauftakt sind der Maßstab für die gesamte Bundesligageschichte - und werden es wohl noch lange bleiben.
FC Nürnberg 2006/07
Trainer: Hans Meyer
Defensive: Raphael Schäfer - Dominik Reinhardt, Andreas Wolf, Glauber, Jan Kristiansen (Horacio Javier Pinola)
Gegentorlos gegen: VfB Stuttgart (A, 2-0), Borussia Mönchengladbach (H, 1-0), Bayern München (A, 0-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 10. Minute - FC Nürnberg - VfL Bochum, 0:1 Theofanis Gekas
Saisonende: 6., 32 Gegentore
Eine der relativ gesehen besten Trainerleistungen der jüngeren Bundesligageschichte zeigte Hans Meyer 2006 mit dem Club, der eigentlich keinen Kader für die obere Tabellenhälfte hatte. In der Offensive erzielte einzig Ivan Saenko mehr als sechs Saisontore. Im zentralen Mittelfeld erfüllte aber Tomas Galasek eine ganz wichtige Funktion.
Nürnberg krönte seine Saison mit dem Gewinn des DFB-Pokals gegen den VfB Stuttgart und dem Einzug in den UEFA Cup. Aber ein halbes Jahr nach diesem Erfolg war Hans Meyer schon wieder entlassen, und weitere sechs Monate darauf stand der Club wieder in der 2. Liga.
Bayern München 2007/08
Trainer: Ottmar Hitzfeld
Defensive: Oliver Kahn - Philipp Lahm, Lucio, Martin Demichelis, Marcell Jansen (Christian Lell)
Gegentorlos gegen: Hansa Rostock (H, 3-0), Werder Bremen (A, 4-0), Hannover 96 (H, 3-0)
Erstes Gegentor: 4. Spieltag, 87. Minute - Hamburger SV - Bayern München, 1:1 Mohamed Zidan
Saisonende: Meister, 21 Gegentore
Der defensivstärkste Meister aller Zeiten schlug sogar noch Rehhagels Werder der späten 1980er in Sachen Abwehrstabilität. Vom ersten bis zum letzten Spieltag Tabellenführer, schon drei Spieltage vor Schluss Meister, Doublesieger - so souverän war der FC Bayern nur noch einmal danach, in der Doublesaison unter Louis van Gaal.
Neuzugang Luca Toni erzielte vorne 39 Tore in allen Wettbewerben, aber wie in den meisten Mannschaften, die Ottmar Hitzfeld in seiner Karriere betreute, war die Defensive der Schlüssel zum Erfolg.
Fortuna Düsseldorf 2012/13
Trainer: Norbert Meier
Defensive: Fabian Giefer - Tobias Levels, Stelios Malezas, Jens Langeneke, Johannes van den Bergh
Gegentorlos gegen: FC Augsburg (A, 2-0), Borussia Mönchengladbach (H, 0-0), VfB Stuttgart (A, 0-0)
Was ist Fortunas Saisonstart wert? DIe historischen Beispiele zeigen, dass man mit drei gegentorlosen Spielen zum Auftakt am Ende durchaus noch absteigen kann - schon zweimal geschehen. Von allen Mannschaften, die auch das vierte Spiel ohne Gegentor überstanden haben, ist allerdings nur Stuttgart 2004 nicht Deutscher Meister geworden.