Julia Görges befand sich auf einer emotionalen Achterbahnfahrt. Glücklich - und doch niedergeschlagen. Die Fed-Cup-Matchwinnerin fühlte sich nach dem 3:2 im Playoff-Duell gegen die Ukraine in Stuttgart verloren. Irgendwie im Stich gelassen.
Kein Wunder: Ausgerechnet beim WTA-Turnier in dieser Woche an gleicher Stelle wird Görges nicht am Start sein. "Ich möchte mich dazu nicht äußern. Ich glaube, meine zwei Siege am Wochenende haben genug gesagt", meinte die Weltranglisten-45. sichtlich verstimmt und kritisierte damit indirekt die Vergabe der Wildcards beim Sandplatz-Event in der Schwabenmetropole.
Vor allem der Freifahrtschein für Dopingsünderin Maria Sharapova, der internationalen Markenbotschafterin des Turnier-Hauptsponsors, sorgt seit Monaten für reichlich Diskussionsstoff.
Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner konnte den Ärger von Görges - immerhin Stuttgarter Turniersiegerin von 2011 - nachvollziehen. "Auch mir blutet das Herz, weil Jule nicht dabei sein kann. Ebenso wie den Zuschauern und den Turnierveranstaltern", sagte Rittner dem SID: "Das ist wahnsinnig traurig. Vor allen Dingen, wenn man Jules Leistung am Wochenende gesehen hat."
Zumal nur eine von insgesamt drei Wildcards an eine deutsche Spielerin (Laura Siegemund) vergeben wurde. Üblicherweise statten die Verantwortlichen mindestens zwei Lokalmatadorinnen mit dieser Berechtigung aus.
Auch Konta mit Wildcard
Neben Sharapova, die am Mittwoch nach 15-monatiger Sperre wegen Meldonium-Missbrauchs ihr Comeback feiern wird, und der letztjährigen Finalistin Siegemund bekam auch die Britin Johanna Konta (WTA-Nr. 7) eine Wildcard. Damit sind inklusive Titelverteidigerin Angelique Kerber (Kiel) acht Top-Ten-Spielerinnen beim mit 723.000 Euro dotierten Turnier am Start. Görges konnte in der Qualifikation nicht an den Start gehen, weil sie im Fed Cup spielte.
Turnierdirektor Markus Günthardt verteidigte das Handeln der Verantwortlichen in Sachen Sharapova. "Natürlich ist es schade, dass Jule Görges nicht dabei ist. Sie hat in der Vergangenheit aber schon Wildcards bekommen und kann sich nicht beklagen", sagte Günthardt dem SID.
Der Schweizer unterstrich, dass Sharapova ihre Sperre abgesessen habe und damit "jedes Recht dieser Welt hat, zurückkommen zu dürfen. Wir mussten für sie ja auch nicht das Reglement ändern." Die fünfmalige Grand-Slam-Gewinnerin hatte in Stuttgart dreimal den Titel geholt (2012-2014). "Maria ist ein Weltstar, sie hat die Halle in der Vergangenheit zum Brodeln gebracht."
Rittner: "Sharapova ist ein Name"
Bleibt anzumerken, dass genau das einer Görges bei ihren zwei Einzelsiegen am Wochenende im Fed Cup auch gelungen war. Rittner nahm bei aller Unterstützung für die deutsche Nummer zwei auch die Turnierchefs in Schutz. "Man muss ihre Entscheidung akzeptieren - Sharapova ist ein Name. Alle wollen ihr Comeback sehen", sagte Rittner.
Über der kleinen Siegesfeier des Fed-Cup-Teams am Sonntagabend lag aber auch wegen der "Lex Sharapova" ein Schatten. Als "etwas seltsam" hatte auch Kerber, die ebenso als Markenbotschafterin des Turnier-Hauptsponsors fungiert, die Umstände des Comebacks der Russin bezeichnet.
Rittner indes wollte angesichts des nervenaufreibenden Wochenendes noch gar nicht soweit in die Zukunft blicken. Erst im Februar 2018 steht für ihre Equipe das nächste Fed-Cup-Match auf dem Programm. Die Aufstockung der Weltgruppe von 8 auf 16 Mannschaften wird wohl im August von der ITF beschlossen. Das Format allerdings steht noch nicht fest.
"Ich bin jetzt erst einmal sehr stolz - auch auf das Team hinter dem Team. Vor Jule kann man nur den Hut ziehen", sagte Rittner. Görges hörte das Lob - und trat doch ein wenig verstimmt die Heimreise an.