Ganz Spanien beklagte das "Ende einer Ära", doch Vicente Del Bosque wollte davon nichts hören. "Nein, das denke ich nicht", sagte der Trainer trotzig auf die Frage, ob die ruhmreiche Zeit der "Roja" nach dem zweiten Turnierfiasko in Folge nicht endgültig vorbei sei. Auch persönliche Konsequenzen schloss der 65-Jährige nach dem blamablen Auftritt beim 0:2 (0:1) im EM-Achtelfinale gegen starke Italiener zunächst aus.
"Als nächstes steht die WM-Qualifikation im September an. Ich werde jetzt mit dem Verbandspräsidenten sprechen, mit den Spielern habe ich (über meine Zukunft, d.Red.) noch nicht geredet", sagte er und wiederholte fast wortgleich seine Aussage von vor zwei Jahren. Damals verabschiedete sich der Weltmeister in Brasilien beim 0:2 gegen Chile ähnlich blutleer, allerdings schon in der Vorrunde. Del Bosque blieb.
Wie 2014 im Maracana zerschellte Spanien auch am Montagabend im Stade de France an einer Dreierabwehrkette. Wie in Brasilien fiel den Superstars wie Künstler Andrés Iniesta oder Anführer Sergio Ramos nichts ein. Kein Feuer, kein Esprit, kein Elan - es war ein Desaster. Torhüter David de Gea verhinderte eine noch höhere Niederlage.
Und jetzt? Steht es schlecht um Spaniens Fußball - obwohl die Klubs seit Jahren die europäischen Wettbewerbe dominieren? "Nein", sagte Del Bosque, "der spanische Fußball hat eine gute Struktur, gute Akademien, gute junge Spieler, und in den Klubs wird gute Arbeit geleistet." Aber so ein Turnier könne eben nur eine Mannschaft gewinnen.
Del Bosques Vertrag läuft aus
Del Bosque ist seit 2008 im Amt, als er den Posten nach dem EM-Triumph in Österreich und der Schweiz vom inzwischen verstorbenen Luis Aragones übernahm. Sein Vertrag endet im Juli. Viele Spanier hoffen, dass Präsident Ángel María Villar ihn nicht noch einmal verlängert - obwohl Spanien unter Del Bosque 2010 in Südafrika erstmals Weltmeister und 2012 erneut Europameister wurde.
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Doch Del Bosque ist es seither nur bedingt gelungen, Spaniens einst gerühmten Ballbesitzfußball weiterzuentwickeln. In Frankreich spielte die Seleccion zwar mal wieder mit einem echten Stürmer. Doch als es darauf ankam, war Álvaro Morata, der in der Vorrunde noch dreimal getroffen hatte, abgemeldet. Statt Brillanz auf dem Platz gab es unnötige Diskussionen um angebliche Sex-Partys, den unzufriedenen Ersatzstürmer Pedro oder eine vermeintlich obszöne Geste des Überzeugungskatalanen Piqué bei der Nationalhymne.
"Man sollte nicht an der Einstellung der Spieler zweifeln", sagte Del Bosque, "sie haben mit Herz gespielt." Spanien habe "eine goldene Ära" erlebt - und diese sei trotz der Schlagzeilen bei AS und Marca noch lange nicht zu Ende. "Echte Sportsmänner fallen um, aber sie stehen auch wieder auf", sagte er. "Wir können noch viel erreichen. Und es geht ja weiter." In der Quali für die WM in Russland wartet übrigens: Italien.