Das erste Rennen, der erste Doppelsieg für Mercedes, so weit, so gewöhnlich - doch was der Große Preis von Australien bot, war nur auf den ersten Blick die übliche Formel-1-Kost. Der Chef des Branchenführers brachte das kurz vor dem Abflug aus Melbourne auf den Punkt. "Das war ein richtig spannendes Rennen, weil es alles gegeben hat", sagte Toto Wolff: "Es gab Crashs, Feuer, Zweikämpfe - und es gab Ferrari an der Spitze."
Wie alle Fans wartet ja auch Mercedes seit zwei Jahren auf einen ebenbürtigen Gegner, nur bei echter Gegenwehr nämlich sehen die Dauersiege der Silberpfeile richtig gut aus. Das Auftaktrennen am anderen Ende der Welt weckte durchaus die Hoffnung, dass dieses Jahr viele spannende Momente bieten könnte, vielleicht sogar so etwas wie einen Dreikampf. Einiges spricht dafür.
So holte Nico Rosberg den wichtigen ersten Sieg im Dauerduell mit seinem Mercedes-Teamrivalen Lewis Hamilton, alles andere wäre nach zwei Titeln für den Engländer ein ernüchterndes Signal gewesen. Rosberg blieb fehlerfrei, knüpfte an seine drei Siege zum Ende der vergangenen Saison an - und setzte den Weltmeister unter Druck.
Ohne Zwischenfälle Sieg für Vettel?
Hamilton gab sich anschließend extrem selbstbewusst, er weiß ja, was er kann. "Je länger die Saison ist, desto unwichtiger ist ein einzelnes Rennen", sagte er schmunzelnd mit Blick auf die verbleibenden 20 WM-Läufe dieser Rekordsaison. Und überhaupt: "Ich hatte schon viel schlimmere Auftaktrennen." 2014 war er in Melbourne ausgeschieden, "da hatte ich 25 Punkte Rückstand auf Nico. Da kann ich jetzt doch wirklich glücklich sein."
Ferrari indes zeigte viel mehr, als man nach dem Qualifying vom Samstag erwarten durfte. Acht Zehntel betrug der Rückstand auf die Pole, das war ein Rückschlag, doch im Rennen schnupperte Sebastian Vettel am Sieg. Ein Blitz-Start spülte ihn an die Spitze, bis zu Fernando Alonsos spektakulärem Crash führte der Heppenheimer das Feld an. Und er hatte Mercedes in dieser Phase im Griff, das war überraschend.
"Im Qualifying sah die Lücke größer aus, als sie ist", sagte er: "Wir können sehr glücklich mit unserer Geschwindigkeit sein. Mindestens im Rennen können wir schon mithalten." Alonsos Unfall, der glücklicherweise ohne Verletzungsfolgen blieb, und eine falsche Taktik-Entscheidung von Ferrari brachte Vettel dann um alle Chancen. Dass er ohne den Zwischenfall gewonnen hätte, ist eine These - aber eine durchaus haltbare.
''Nicht glücklich nach so einem Rennen''
Noch im vergangenen Jahr war Ferrari zudem auf wenigen Strecken so unterlegen wie in Melbourne, nun musste Mercedes ausgerechnet dort gleich zum Auftakt um den Sieg bangen. "Das Auto ist noch nicht ganz da, wo wir es haben wollen", sagte Vettel, "aber es bietet uns noch viel Potenzial. Schritt für Schritt wollen wir die Lücke schließen."
Vettels Chef haderte in der Dämmerung von Melbourne noch sichtbar mit der vergebenen Chance, die sich so überraschend aufgetan hatte. "Nach so einem Rennen kannst du nicht glücklich sein", sagte Maurizio Arrivabene, "aber wir sehen das Glas nicht als halb leer an. Was wir heute gut gemacht haben, müssen wir in Zukunft noch besser machen." Gelingt das der Scuderia, könnte die Formel 1 im Jahr 2016 viel Spaß machen.