Die Hoffnungen Katars auf die Gastgeberrolle bei der Weltmeisterschaft 2022 scheinen mehr denn je auf Sand gebaut zu sein. Sogar bei der FIFA wachsen ganz offensichtlich die Zweifel, ob das Emirat am Persischen Golf bei der Vergabe 2010 die richtige Wahl gewesen war. "Persönlich glaube ich, dass die WM 2022 am Ende nicht in Katar stattfinden wird", sagte nun Theo Zwanziger, immerhin Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee, zu "Sport Bild Plus". Der ehemalige DFB-Präsident sieht Gesundheitsrisiken wegen der Hitze für Spieler und Fans.
Die FIFA wollte die Äußerung des 69-Jährigen nicht kommentieren. "Wie von Herrn Zwanziger selbst hervorgehoben, ist es seine persönliche Meinung", hieß es vonseiten des Weltverbandes auf "SID"-Anfrage. Katars WM-OK-Chef Hassan Al-Thawadi strahlt trotzdem Optimismus aus. Auf die Frage der Tageszeitung "Die Welt", ob er Angst habe, dass sein Land die WM verliert, äußerte er: "Nein, ich habe keine Angst. Erstens gibt überhaupt keine Basis dafür, die WM zu verlieren. Und zweitens ist es die erste Weltmeisterschaft im Mittleren Osten. Wenn Leute an die Region denken, dann eher an Konflikt. Die WM wird eine Plattform sein, die die Menschen zusammenbringt. Sie wird ein positives Vermächtnis hinterlassen. Ich bin sicher, dass die WM 2022 in Katar stattfindet."
Für Zwanziger sei es jedoch fahrlässig, die WM im Sommer 2022 auszutragen. "Die Mediziner sagen - und das habe ich im Protokoll festhalten lassen -, dass sie nicht verantworten können, dass im Sommer unter diesen Bedingungen eine WM stattfindet", betonte Zwanziger. Das sei zwar in den Stadien durch besondere Kühltechniken möglich, "aber die WM findet nicht nur in den Stadien statt. Es kommen Fans aus aller Welt, die sind in der Hitze unterwegs. Der erste lebensbedrohliche Vorfall würde sofort zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen führen. Das würde niemand im FIFA-Exko verantworten wollen", äußerte der Jurist aus Altendiez.
Blatter in der Pflicht
Eine Verlegung in den Winter wird unterdessen von den europäischen Ligen breitflächig abgelehnt. "Ich hätte Verständnis für eine WM im Winter, aber jede Veränderung des Datums würde nachhaltig für einen Schaden für die Bundesliga und alle anderen europäischen Ligen sorgen", hatte Bayern Münchens Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge unlängst gesagt.Christian Seifert als Vorsitzender der Geschäftsführung der DFL, hatte Rummenigge beigepflichtet: "Der erste, der dafür verantwortlich ist, dass es möglichst wenig Kollateralschäden gibt, das ist die FIFA." FIFA-Präsident Joseph S. Blatter hatte dagegen zuletzt immer wieder den Katarern den Rücken gestärkt.
Das diktatorisch geführte Emirat steht wegen gravierender Verletzungen der Menschenrechte seit einigen Jahren in der Kritik. Zahlreiche ausländische Arbeitskräfte, vor allem aus Indien und Nepal, sollen wie Sklaven behandelt worden sein, Hunderte waren zu Tode gekommen. Zuletzt waren zwei britische Menschenrechtler festgenommen und erst auf internationalen Druck auf freien Fuß gesetzt worden.
Europäer lehnen Winter-WM ab
Katars Scheich Tamim bin Hamad al-Thani räumte erst am Mittwoch vergangener Woche bei einem Staatsbesuch in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Blick auf die Gastarbeiter ein: "Ja, es gab in Katar Fehler und Probleme." Sein Land arbeite aber "ernsthaft daran, dass sich die Situation verbessert".Außerdem muss sich Katar immer noch mit Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Dezember 2010 auseinandersetzen. Der Untersuchungsbericht über die Vorgänge im Zusammenhang mit den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar wurden von Chefermittler Michael J. Garcia vom FIFA-Ethik-Komitee inzwischen abgeschlossen. Nun ist der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert von der rechtsprechenden Kammer des Gremiums am Zug. Er will seine Arbeit Ende Oktober, Anfang November abschließen.
Offen ist auch die Frage, ob eine Verlegung der WM-Endrunde in den Winter 2022 aufgrund der Widerstände - vor allem vonseiten der Europäer - überhaupt möglich ist. Sollte die WM aufgrund der Sommerhitze von rund 50 Grad Celsius nicht im Juni/Juli ausgetragen werden, wären die Monate Januar/Februar sowie November/Dezember 2022 mögliche Alternativen. Mit einem Ergebnis ist allerdings nicht vor Februar 2015 zu rechnen.