Die Aufklärung der Dopingvergangenheit an der Uni Freiburg wird zur Schlammschlacht. Ein anscheinend persönlicher Streit droht die jahrelange Arbeit zunichte zu machen.
Schlammschlacht im Dopingsumpf: Die Aufklärung des westdeutschen Dopingskandals, angefangen beim damaligen Team Telekom, an der Universität Freiburg droht endgültig zum Debakel zu werden. Der auch auf persönlicher Ebene ausgetragene Streit zwischen den Verantwortlichen der Albert-Ludwigs-Uni und der seit Jahren ermittelnden Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin verhindert anscheinend die Veröffentlichung von schockierenden Ergebnissen.
"Da kommen noch kriminelle Hämmer, brutale Sachen raus", sagte der Heidelberger Molekularbiologe und Doping-Bekämpfer Werner Franke, bis 2012 selbst Kommissionsmitglied, dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Was da passiert, ist systematische Vertuschung krimineller Straftaten. Die sind durch und durch korrupt in diesem sportmedizinischen Bereich. Es geht nur darum, dass wenig rauskommt."
Die vermeintliche Vertuschung im Breisgau ruft deshalb auch das politische Berlin auf den Plan. "Wir erleben zur Zeit einen weiteren unrühmlichen Höhepunkt in der Geschichte der Freiburger Dopingvergangenheit", sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, dem SID und forderte die vollständige Aufarbeitung: "Daran kann und darf es nicht den geringsten Zweifel geben."
Keine gemeinsame Aufklärung
Von gemeinsamer Aufklärung ist in Freiburg schon lange nichts mehr zu spüren. Die Hintergründe sind undurchsichtig. Am Mittwochabend gipfelte die inzwischen offenbar ausschließlich über die Medien ausgetragene Diskussion zwischen der Kommissions-Vorsitzenden Letizia Paoli und Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer in der Forderung des Senats nach dem "unverzüglichen" Abschluss der Kommissionsarbeit. Damit die Ergebnisse "für die Öffentlichkeit und die weitere Forschung gesichert werden." So einfach scheint es aber bei Weitem nicht.Schiewer, so der Vorwurf der Kommission, habe die Aufklärungsarbeit systematisch behindert und verschleppt. Ein drastisches Beispiel: Jahrelang sollen Regal-Meter an Beweisen im Haus einer Universitätsmitarbeiterin vergammelt sein. "Mit seiner harten Haltung versucht er die Kommissionsvorsitzende weiter in den Rücktritt zu treiben, den sie aufgrund der skandalösen Nicht-Unterstützung durch die Universität in Aussicht gestellt hatte", teilte Kommissions-Mitglied Gerhard Treutlein mit. Er schreibt in seinem offenen Brief von "Feinden", die sich Paoli durch ihre kompromisslose Wahrheitssuche gemacht habe.
Der geforderte Abschluss "im Rahmen des gesetzlich Zulässigen" (Uni-Senat) ist nach Aussagen der Kommission aufgrund der Fülle des Materials unmöglich. Treutlin zog den Schluss, "dass der Wunsch nach dem Platzen der Evaluierungskommission größer ist als der Wunsch nach einer sinnvollen Beendigung der seit fast fünf Jahren geleisteten intensiven Arbeit".
Die Zeit nach der Evaluierungskommission hat die Uni längst geklärt. So solle die "Forschungsstelle Sportmedizin" die Geschichte der Sportmedizin in Freiburg "im Anschluss" untersuchen. Ob diese aber unfertige Berichte oder brisante Akten ihrer Vorgänger überhaupt nutzen darf, scheint rechtlich auf tönernen Füßen zu stehen. Zudem sei die Unabhängigkeit der Nachfolger "völlig offen", sagte Treutlein. Schiewer wies das als "unzutreffend" zurück, der Senat garantierte in seinem Statement quasi die Unabhängigkeit der Forschungsstelle.
Zusätzliche Brisanz durch Plagiatsvorwürfe
Zusätzliche Brisanz erhielten die Ermittlungen durch Plagiatsvorwürfe gegen Freiburger Sportmediziner, die quasi als Nebenprodukt auf den Tisch kamen. "Der Verdacht steht schon im Raum, dass hier etwas verdeckt werden soll", sagte Ines Geipel, Vorsitzende des Vereins Doping-Opfer-Hilfe, dem SID: "Das ist schon ein ungeheuerlicher Vorgang, man kann eigentlich nur den Kopf schütteln. Das ist gesammelte Verantwortungslosigkeit."Das für Sport zuständige Bundesinnenministerium hielt sich trotz der unbestritten enormen Bedeutung der Kommissionsarbeit an der gesamten Dopingaufklärung (noch) zurück. "Es ist nicht Aufgabe des BMI, die Arbeit dieser Kommission oder das Verhältnis zur Auftraggeberin zu kommentieren", sagte die BMI-Sprecherin dem SID.
Hilfe angeboten hatte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer mit einem Schlichtungsgespräch. Der Senat begrüßte das am Mittwoch und nahm die Einladung an. Paoli hatte bereits am Wochenende einem Gespräch mit dem Ministerium zugestimmt - allerdings ohne die Universitäts-Verantwortlichen. Ein Termin steht nach SID-Informationen noch nicht fest. Die von Paoli gesetzte Frist für ihren Rücktritt endet am 7. November.