"Schwerstarbeiter" Dimitrij Ovtcharov hat den Deutschen Tischtennis-Bund in Jekaterinburg am "Tag der vergebenen Medaillenchancen" vor der schwächsten EM-Bilanz in den Einzelwettbewerben seit 2005 bewahrt. Durch den Halbfinal-Einzug des Titelverteidigers nach einem hart erkämpften 4:2 gegen den griechischen Abwehr-Virtuosen Panagiotis Gionis stehen für das DTTB-Team zusammen mit Bronze für Han Ying/Irene Ivancan im Damen-Doppel wenigstens zwei Podestplätze zu Buche.
Abgesehen von den beiden Viertelfinal-Erfolgen jedoch hatte das deutsche Lager, für das Ovtcharov im Semifinale am Sonntag gegen Tiago Aoplonia (Portugal) nun das letzte Trumpf-Ass ist, zum Einheits-Jubiläum keinen Grund zu feiern. Gleich fünf Gelegenheiten zum Sprung aufs Podium ließen die DTTB-Asse in den Viertelfinals der vier Individual-Konkurrenzen ungenutzt.
"Jede der beiden Medaillen hat ihren Wert, aber natürlich hätten wir uns gefreut, wenn wir noch die eine oder andere mehr geholt hätten", sagte DTTB-Sportdirektor Richard Prause zur Fortsetzung der Rückschläge nach dem verlorenen Herren-Mannschaftsfinale vier Tage zuvor.
Noch weniger Podestplätze hatten DTTB-Aktive in den Individual-Wettbewerben zuletzt 2005 in Aarhus beklagen müssen, als Bronze für die späteren Serien-Champions Timo Boll/Christian Süß im Doppel das einzige Erfolgserlebnis war. Lediglich eine Einzel-Medaille holten die DTTB-Aktiven zuletzt 2008 in St. Petersburg - allerdings die goldene für den in Jekaterinburg verletzt fehlenden EM-Rekordsieger Boll. Bei den vorherigen Titelkämpfen 2013 in Schwechat hatte das deutsche Team in Einzeln und Doppeln noch zwei komplette Medaillensätze gewonnen.
"Es geht jetzt um alles"
Unbeeindruckt von der Pleiten-Serie seiner Teamkollegen sicherte sich Ovtcharov am Samstag zumindest bereits seine dritte EM-Einzelmedaille. Einen Tag nach seinem Eistonnen-Bad zur Erholung vom Achtelfinale lief der Weltranglistenfünfte gegen Defensiv-Künstler Gionis richtig heiß, ließ sich auch von zwei Satzrückständen nicht irritieren und verdiente sich gegen die "Gummiwand" vom deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf Punkt für Punkt den Sieg.
"Ich denke schon, dass ich bei dieser EM wohl der stärkste Spieler bin, aber ich bin auch einer derjenigen mit der bisher höchsten Beanspruchung", sagte der 27 Jahre alte Star des russischen Champions-League-Siegers Fakel Orenburg.
Dennoch blickte der Olympia-Dritte dem Duell mit Apolonia, der zuvor auch den dritten Griff von Abwehr-Crack Ruwen Filus (Fulda) nach der ersten EM-Einzelmedaille abgeblockt hatte, zuversichtlich entgegen: "Es geht jetzt um alles, und ich bin ein Kämpfer. Ich werde das Letzte aus mir herausholen."
Unter den Erwartungen
Schlecht standen die Chancen auf Medaillen zuvor besonders auch für die souveränen Team-Europameisterinnen des DTTB nicht. Doch in erster Linie das Einzel-Aus der topgesetzten Weltranglistenelften Han (Tarnobrzeg) und des ebenfalls favorsierten Doppels mit Titelverteidigerin Petrissa Solja und ihrer Partnerin Shan Xiaona (beide Berlin) sorgten für lange Gesichter.
Als Nummer zwei der Setzliste blieb auch das Herren-Doppel Patrick Franziska/Patrick Baum (Düsseldorf/Caen) unter den Erwartungen. Im Einzel erfüllten sich außerdem zudem die Hoffnungen von Meisterin Solja und Filus nicht. Dass die an Nummer zwei gesetzten Han/Icancan im Semifinale ihre Medaille nicht mehr versilbern konnten, passte allzu gut ins Bild.
Bundestrainerin Jie Schöpp kündigte denn auch verstärkte Konzentration auf die Schwächen ihrer Spielerinnen an. "Als Team sind wir mit unseren guten Spielerinnen stark genug, weil wir ausgeglichen sind. Als Einzelspielerin sind einige aber anfällig. Wir wissen, woran wir individuell zu arbeiten haben."