John Degenkolb schien die nächste große Herausforderung am liebsten sofort in Angriff nehmen zu wollen. "Das Sahnestückchen kommt erst noch. Ich bin sehr zuversichtlich für Paris-Roubaix", sagte der siegeshungrige deutsche Radprofi, als er sich mit einem Lächeln die Strapazen der 99. Flandern-Rundfahrt auf der Trainingsrolle aus den Beinen strampelte. Als Siebter hatte der Gewinner von Mailand-Sanremo am Ostersonntag bei der kräftezehrenden "Ronde" einen weiteren großen Coup zwar verfehlt, seine gute Form dennoch erneut unter Beweis gestellt.
Die Ambitionen des Wahl-Frankfurters sind ungebrochen groß, Degenkolbs Gedanken kreisten schon auf dem Marktplatz im belgischen Oudenaarde um die Königin der Klassiker. "Das ist ein Rennen, das mir noch ein wenig besser liegt als die Flandern-Rundfahrt. Ich freue mich darauf", sagte Degenkolb. Am kommenden Sonntag will der 26 Jahre alte Kapitän des Teams Giant-Alpecin nach dem zweiten Platz im Vorjahr im Norden Frankreichs endlich den berühmtem Pflasterstein in die Höhe stemmen.
Die Chancen auf einen Erfolg stehen gut. Bei der 264,2 Kilometer langen Hatz über die 19 Hallinge am Sonntag zählte Degenkolb bis zum Schluss zur Spitzengruppe, die sich in der Verfolgung des siegreichen Norwegers Alexander Kristoff (Katjuscha) sowie des zweitplatzierten Niederländers Niki Terpstra (Etixx-Quick Step) allerdings lange nicht einig wurde und letztlich verpokerte. "Die Gruppe, in der ich war, lief überhaupt nicht. Alle haben sich nur angeschaut, dabei wäre Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg gewesen", sagte Degenkolb, der Zuversicht aus der guten Teamleistung zog: "Wir waren bis zum vorletzten Berg noch zu dritt vertreten. Ein großes Lob an die Mannschaft."
Dabei bewies Degenkolb einmal mehr auch seine Nehmerqualitäten, die für einen Triumph in Roubaix unerlässlich sind. Noch immer hat er mit den Folgen eines Sturzes beim E3 Prijs in Harelbeke Ende März zu kämpfen, bei dem er auf die linke Körperhälfte fiel. Er habe weiter Schmerzen an der Hüfte, erklärte Degenkolb. In der Vorbereitung verfolgt er deshalb eine simple Strategie: "Erholung, Erholung, Erholung."
Zufrieden und entspannt stillte André Greipel nach dem Rennen den Selfie-Hunger seiner Fans. Der deutsche Meister, der sonst in den Sprints um Siege kämpft, hatte eine überzeugende Leistung geboten und sich bis in die Schlussphase für seinen Lotto-Kapitän Jurgen Roelandts aufgeopfert. Knapp 20 Kilometer vor dem Ziel verließen den Rostocker aber die Kräfte. "Klar macht es Spaß, auch mal etwas zurückzugeben", sagte Greipel, der bei Paris-Roubaix ebenfalls Helferdienste verrichten will: "In der nächsten Woche heißt es: auf ein Neues."