Die fünf Matches gegen Australien müssen erst mal gespielt werden, aber wenig spricht für den Klassenerhalt des deutschen Davis Cup-Teams: Interne Querelen, geschwächtes Team, ein starker Gegner. Nur der langsame Sand in Hamburg wird es wohl kaum richten.
In Bestbesetzung wäre die deutsche Mannschaft viel zu gut für einen Abstieg, mit Philipp Kohlschreiber (Weltranglisten-Position 18), Tommy Haas (21) und Florian Mayer (25) liegen drei Profis deutlich vor den beiden australischen Einzelspielern Bernard Tomic (42) und Lleyton Hewitt (100).
Doch vor dem Relegationsspiel häuften sich die Negativmeldungen: Die Dissonanzen zwischen Philipp Kohlschreiber und Teamchef Patrik Kühnen führten zur Ausbootung der deutschen Nummer eins, Tommy Haas verzichtete aus familiären Gründen auf eine Reise in seine alte Heimat Hamburg und Florian Mayer ist weit von seiner Bestform entfernt und schleppt ohnehin eine schwache Davis Cup-Bilanz mit sich herum. Und die Australier haben mit Tomic ein großes Talent in ihren Reihen, Hewitt wiederum ist mit einer Einzel-Bilanz von 38:11 ein erfahrener Davis Cup-Hase.
"Nobody is perfect": Gute Stimmung im deutschen Team
Bewusst wählte Kühnen deshalb den Hamburger Rothenbaum aus, der langsame Sand und die kühlen Temperaturen sollen dem deutschen Team in die Karten spielen. "Es ist ein enges Match. Ich denke, dass alle Partien spannend werden", sagte Kühnen nach der Auslosung, die Youngster Cedrik-Marcel Stebe am Freitag (live ab 11:30 Uhr) zum Startspieler machte. Stebe beginnt gegen Tomic, bevor Mayer gegen Hewitt antreten wird.
Kühnen wird derzeit nicht müde, die gute Stimmung im Team hervorzuheben. Mit einem Spielabend stimmten sich die deutschen Tennisspieler auf die schwierige Aufgabe ein, mit "Nobody is perfect" wurde ein durchaus Sinn gebendes Spiel ausgwählt. Haas und Kohlschreiber sollen in den Tagen von Hamburg kein Thema sein, irgendwie schweben die beiden aber doch über den Centre Court. "Für uns ist es besser, dass sie nicht spielen", sagte dann auch Australiens Kapitän Patrick Rafter.
Das deutsche Team komplettieren die Doppelspieler Philipp Petzschner und Benjamin Becker. Petzschner und Becker treffen am Samstag auf die im Davis Cup noch ungeschlagenen Chris Guccione und Hewitt. Becker verlor gemeinsam mit Stebe in Wimbledon hauchdünn gegen den stark aufschlagenen Linkshänder und den Aussie-Star. In den abschließenden Einzeln am Sonntag trifft Mayer zunächst auf Tomic, danach spielt Stebe gegen den 31-jährigen Hewitt - wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung gefallen sein sollte. Hewitt gibt sich jedenfalls selbstbewusst: "Auf diese Chance haben wir ein Jahr gewartet. Wir werden sie uns nicht entgehen lassen."
Mayer will im Davis Cup endlich einen Großen schlagen
Skepsis aus deutscher Sicht ist sieben Jahre nach dem Wiederaufstieg angebracht: Stebe bestritt seinen einzigen Einsatz im Davis Cup im Februar beim 1:4 gegen Argentinien, als die Entscheidung schon gefallen war. Seine Nervosität halte sich in Grenzen, erklärte der 21 Jahre alte Linkshänder. "Es ist schon etwas Besonderes, als Erster auf den Platz zu gehen, aber es überwiegt die Freude", betonte der 127. der Weltrangliste. Gegen Hewitt unterlag er im Januar bei den Australian Open - wenn auch erst nach starker Gegenwehr.
Mayer hat mit 4:7 eine negative Bilanz im Davis Cup, verlor seine letzten vier Einzel und ist gegen wirklich starke Konkurrenten noch ohne Sieg. 2006 gegen Thailand und 2010 gegen Südafrika steuerte der Bayreuther jeweils zwei Erfolge zum Klassenverbleib bei. Die Australier sind allerdings ein anderes Kaliber. "Ich bin ein bisschen erfahrener im Davis Cup und nicht mehr so nervös wie am Anfang. Die Bedingungen sind langsam, das ist gut für uns", unterstrich Mayer.
Nach seinem frühen Aus bei den US Open ging Mayer in den Kurzurlaub, wirkliche Erkenntnisse über seine Form haben weder er selbst noch Teamchef Kühnen. Auch die Diskussionen um seine Olympia-Absage hat Mayer mittlerweile abgehakt, auch wenn der Stachel immer noch spürbar ist. "Ich habe im Davis Cup immer alles gegeben und sehr gerne für Deutschland gespielt", sagt Mayer gegenüber zdf.de, "mich haben die Reaktionen sehr enttäuscht."
Die Bilanz gegen die Gäste ist mit zwei Siegen und vier Niederlagen negativ. Beim letzten Vergleich im Viertelfinale 2000 in Adelaide war Hewitt schon dabei, der jetzige Kapitän Rafter sorgte im Doppel für den entscheidenden 3:0-Vorsprung. Der bislang letzte deutsche Erfolg war ein Höhepunkt: 1993 in Düsseldorf gelang mit 4:1 der dritte Davis-Cup-Sieg. Michael Stich und Kühnen machten den deutschen Final-Triumph schon im Doppel perfekt.