Sechs bis acht Medaillen sollen die deutschen Beckenschwimmer bei der EM in Berlin (ab 18.00 Uhr im LIVE-TICKER) holen. Nach der Nullnummer bei Olympia in London scheint die Zahl jedoch hoch gegriffen. Sportal wirft einen Blick auf das Team.
Eigentlich hat die Europameisterschaft der Schwimmer in Berlin bereits am letzten Mittwoch mit den Wettbewerben unter freiem Himmel begonnen - das Highlight der zwölf Tage dauernden Veranstaltung in der deutschen Hauptstadt sind allerdings die traditionellen Becken-Wettbewerbe.
Bei diesen will das Team des Deutschen Schwimm-Verbands die desaströsen Auftritte von Olympia 2012 in London, als man komplett ohne Medaille blieb, und der WM 2013 in Barcelona, als man immerhin eine Silbermedaille holen konnte, vergessen machen. Ganz einfach wird dies nicht, schließlich setzt der Verband gleichzeitig auf ein generalüberholtes Nachwuchskonzept. Dennoch sollen es sechs bis acht Medaillen werden. Die Frage: Wie soll diese Zielsetzung erfüllt werden?
Der Nachwuchs wird es nicht richten
Es klingt immer gut, auf den Nachwuchs zu setzen. Und in diesem Fall hat Bundestrainer Henning Lambertz damit auch sehr ambitionierte Ziele im Blick. Bis zu den olympischen Spielen 2020 in Tokio wünsche er sich "Platz fünf bis sechs in der Welt, Platz eins in Europa". Doch der Weg dahin lang und steinig.
Denn Lambertz sagt auch ganz klar: ''Es wird bei dieser EM keine Überraschungen aus der zweiten Reihe geben.'' Talente wie Philip Heintz (23 Jahre), Sarah Köhler (20), Christian Diener (21) und Leonie Antonia Beck (17) seien zwar ''gute Schwimmer'', aber bislang eben nur für das Perspektivteam eingeplant oder zum Sammeln von Erfahrungen dabei. Tatsächlich gilt die erst 16 Jahre alte Sonnele Öztürk als das größte deutsche Talent - doch ausgerechnet in der von ihr bevorzugten Rückenlage ist das deutsche Team am stärksten besetzt.
Und am Ende müssen doch die Alten ran...
Stattdessen sollen es einmal mehr die wenigen, noch übrig gebliebenen etablierten Athleten richten. Freistilexperte Paul Biedermann zum Beispiel. Oder Marco Koch, Silbermedaillengewinner von Barcelona und Steffen Deibler, der einzige international respektierte deutsche Schmetterlingschwimmer. Und auch bei den Frauen gibt es nach dem Rücktritt von Britta Steffen im letzten Jahr mit Franziska Hentke im Schmetterling und Mannschaftssprecherin Dorothea Brandt über die Kurzstrecken wenig realistische Medaillenhoffnungen.
Deshalb klingt es beim DSV fast schon nach Durchhalteparolen wenn Lambertz sagt: ''Der Neuaufbau ist schwer, aber so schwer wie gedacht. Bis 2016 müssen uns die etablierten Sportler noch die Kohlen aus dem Feuer holen.'' Gänzlich überzeugt scheint man von dieser Hoffnung jedoch nicht zu sein: ''Wenn alle Sterne wirklich mal gut stehen und das abgerufen wird, was drauf ist, ist auch so eine Zahl [sechs bis acht, die Red.] nicht komplett unrealistisch.''
Und obwohl das gesamte Team stets betont, sich sehr auf die EM in der eigenen Hauptstadt zu freuen - Paul Biedermann hatte die letzte EM in Berlin 2012 schon als Zuschauer ''begeistert und erstaunt'' erlebt - wird ein eventueller Medaillendruck doch an allen Ecken abgeschwächt. ''Ich muss jetzt einfach schauen, was ich noch im Tank hab, was ich noch abrufen kann'', sagt zum Beispiel Weltrekordler Biedermann mit Hinblick auf seine fast dreiwöchige krankheitsbedingte Trainingspause.
Sardinien: Urlaub oder Trainingslager?
Was zumindest innerhalb des Teams zu stimmen scheint ist der Teamgeist - die Optimisten im DSV vergleichen das Ganze schon mit der Fußballnationalmannschaft bei der WM in Brasilien. ''Dadurch, dass wir die letzten Tage vor der EM diesmal zusammen in Italien verbracht haben, sind wir als Team richtig zusammengewachsen'', so Dorothea Brandt auf der ersten Pressekonferenz in Berlin. Man habe zwar hart gearbeitet, aber sich eben auch besser kennenlernen können - wobei sich zum Beispiel neue Trainingspartnerschaften und intensive Gesprächsrunden über Taktiken ergaben.
Andererseits nützt aber auch die beste Stimmung im Team nichts, wenn die Leistung nicht stimmt. Und so wurden rund um den DSV natürlich auch die ersten Stimmen laut, die das Trainingslager auf Sardinien anprangerten. Dem treten die Athleten ganz entschieden entgegen. ''Isabelle Härle und Rob Muffels waren mit uns in Sardinien und haben nun mit Gold und Silber überzeugende Leistungen abgeliefert'', so Steffen Deibler. ''So entwickelt sich vielleicht eine richtige Sogwirkung.''
Es wäre der jungen und sympathischen deutschen Mannschaft zu gönnen, doch am Ende liegt die Wahrheit natürlich im Wasser des Berliner Velodroms. Die Krankenlage zumindest stimmt, der einzig angeschlagene im deutschen Team ist Coach Lambertz - der hatte sich auf Sardinien nämlich das Knie verdreht.
Oliver Stein