Christina Obergföll schüttelte immer wieder den Kopf, auch eine halbe Stunde nach ihrem kleinen Qualifikations-Drama bei der WM in Peking war die Speerwurf-Weltmeisterin restlos bedient. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte die so erfahrene 34-Jährige, nachdem sie sich mit dem letzten Versuch ins Finale am Sonntag (12.45 Uhr) gerettet hatte: "Mir ist das Herz bis Unterkante Unterhose gerutscht."
Die ersten beiden ihrer drei Versuche waren Obergföll völlig missglückt, dann schleuderte die Offenburgerin den Speer auf 64,10 m - 60 Zentimeter über der zum Einzug in die Medaillen-Entscheidung geforderte Marke.
"Da habe ich gemerkt, dass ich hier immer noch einen raushauen kann. Und das gibt Zuversicht fürs Finale", sagte Obergföll, die noch nie in einer Qualifikation gescheitert ist und letztlich als Fünftbeste ins Finale einzog.
Auch die drei anderen deutschen Werferinnen schafften den Sprung in den Endkampf und haben dort durchaus Medaillenchancen. U23-Europameisterin Christina Hussong (Zweibrücken) wurde überraschend Qualifikationssiegerin mit persönlicher Bestleistung von 65,92 m. Ex-Europameisterin Linda Stahl (63,52) und ihre Leverkusener Vereinskollegin Katharina Molitor (63,23) wurden Achte und Neunte.
Obergföll, die 2013 in Moskau mit 69,05 m WM-Gold geholt und danach eine Babypause eingelegt hatte, konnte sich ihre Zitterparte selbst nicht erklären. "Keine Ahnung, was da in den ersten beiden Würfen passiert ist", sagte sie: "Beim Aufwärmen habe ich mich super gefühlt, vielleicht war ich da zu selbstsicher.
Enges Finale erwartet
Trainer und Ehemann Boris Obergföll griff in die Trickkiste und wollte die Weltmeisterin mit dem Hinweis auf den gemeinsamen einjährigen Sohn motivieren. "Vor dem letzten Wurf hat Boris gesagt, 'Komm, der ist jetzt für Marlon'. Dabei war schon der zweite für Marlon - und der ging schief", sagte Obergföll, die sich ihre ganz besondere Belohnung gönnte: "Heute Abend skype ich endlich wieder mit meinem Sohn - bis jetzt war ich hier in einem Tunnel und fokussiert."
In der Qualifikation von Peking zeigte sich keine klare Favoritin, alle zwölf Finalistinnen dürfen auf den ganz großen Wurf hoffen. Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechien), die nach ihrer Babypause bereits 2014 wieder EM-Gold holte, lag in der Quali mit 65,07 m auf Platz drei und darf auf ihren zweiten Titel nach 2007 hoffen.
Ex-Weltmeisterin Marija Abakumowa (Russland) scheiterte hingegen als 30. (56,08) deutlich. Das Duell der jungen Mütter machen damit Obergföll und Spotakova unter sich aus.