Ein Antrag aus den Landesverbänden auf Abwahl des kompletten Präsidiums stellt den Deutschen Handballbund vor eine Zerreißprobe. Der Wahlkongress im September könnte der wichtigste in der DHB-Geschichte werden.

In einem Punkt sind sich ausnahmsweise mal alle einig: Das große Beben wird schwerwiegende Folgen für den deutschen Handball haben. Einige haben sogar Angst um ihren Sport. "Der Handball wird kaputtgemacht, und egal, wie es ausgeht, das wird über einen langen Zeitraum nicht mehr zu kitten sein", sagt Berndt Dugall, Vorsitzender der Handball Bundesliga Frauen (HBF).

Der Frontalangriff der Landeschefs auf den Dachverband stellt den deutschen Handball vor eine Zerreißprobe mit ungewissem Ausgang. Der Wahlkongress im September könnte der wichtigste in der DHB-Geschichte werden. Nicht nur Dugall ist sich sicher, um was es den Revoluzzern aus den Landesverbänden mit ihrem Abwahlantrag gegen das komplette DHB-Präsidium geht: "Einzig und allein darum, Bob Hanning rauszudrängen."

Hanning, immer wieder Hanning. Der DHB-Vizepräsident Leistungssport, in Personalunion Manager der Füchse Berlin, ist die zentrale Figur bei den Chaostagen des DHB. Der aufsehenerregende Antrag, den Württemberg "stellvertretend für vier der fünf größten Landesverbände" gestellt hat, dient vor allem dem Zweck, die Reizfigur Hanning zu entmachten.

Das allerdings bestreitet Hans Artschwager, Präsident des Landesverbandes Württemberg. "Uns geht es nicht um einzelne Personen", sagte er dem SID: "Es geht auch nicht darum, den deutschen Handball zu beschädigen, sondern darum, dass einiges passiert ist, was den Verbänden nicht gefällt." Was das genau ist, ließen sie weitgehend offen.

"Wir stehen ganz klar hinter Hanning"

In einer Pressemitteilung zum Antrag verwiesen sie nur darauf, dass der Wahlvorschlag für den neuen DHB-Präsidenten "nicht aus den Reihen der derzeitigen Vizepräsidenten kommen sollte" - ein klarer Bezug auf Andreas Michelmann, der am 26. September in Hannover eigentlich zum neuen DHB-Präsidenten gewählt werden soll. Eine Findungskommission, der auch Präsidenten aus drei Landesverbänden angehörten, hatte sich auf den DHB-Vizepräsidenten für Amateur- und Breitensport als Nachfolger des abgetretenen Bernhard Bauer geeinigt - angeblich einstimmig. Das deutet darauf hin, dass die Basis nicht mit einer Stimme spricht.

Der Sport müsse diesen kontroversen Prozess jetzt durchstehen, sagte Artschwager, "dann werden wir auch wieder auf eine gemeinsame Linie zurückfinden". In einer Sondersitzung innerhalb der nächsten drei Wochen wollen sich die Verbände untereinander abstimmen.

Die Ligen aber laufen Sturm, für sie ist eindeutig Hanning die Zielscheibe der Aktion. "Dieser Antrag richtet sich aber vor allem auch gegen die Position des Leistungssport-Verantwortlichen im DHB", sagt Uwe Schwenker, Präsident der Handball-Bundesliga Männer (HBL): "Und damit sind HBL und HBF natürlich nicht einverstanden. Für die HBL kann ich sagen: Wir stehen ganz klar hinter Hanning."

Dessen prominenteste Gegner sind Ex-Präsident Bauer und Deutschlands Handball-Ikone Heiner Brand, der den Antrag "ausdrücklich begrüßt", wie er der FAZ sagte. Am Wochenende wollten sich Bauer und Brand, der am Sonntag seinen 63. Geburtstag feierte, nicht äußern.

Schon im Vorfeld der WM im Januar in Katar hatte Bauer seine Präsidiumskollegen - mit Ausnahme von Hanning - zu einer Telefonkonferenz gebeten, in deren Verlauf er die Entmachtung des Berliners forcieren wollte. Eine Mehrheit bekam er dafür letztendlich nicht, wenige Wochen später trat Bauer dann zurück.

"Eine Katastrophe"

Nach SID-Informationen ist Bauer nach wie vor bereit, ins Amt zurückzukehren. Die Voraussetzungen dafür, in erster Linie die Entmachtung Hannings, könnte nun der Antrag der Landesverbände schaffen. "Eine Katastrophe, einen Irrsinn", nennt nicht nur HBF-Boss Dugall diesen Schritt. Marc-Henrik Schmedt, Vizepräsident der Handball-Bundesliga HBL, bezeichnet Hanning gar als "einen der wichtigsten Motoren, die wir im deutschen Handball haben."

Und deshalb sei die nun entstandene Situation auch alles andere als zielführend, glaubt der frühere Nationaltorwart Andreas Thiel. "Ich habe große Zweifel daran, dass diese Strategie der Selbstzerfleischung dem deutschen Handball nützt", sagte der HBL-Justiziar. DHB-Interimspräsident Mark Schober mahnt dringend zur Sachlichkeit: "Die Diskussionen können ruhig kontrovers geführt werden, sie müssen aber der Sache dienen."

Michelmann nannte den ganzen Vorgang im Gespräch mit dem Portal Handball-World "eine Kombination aus Nicht-Achtung und Frechheit". Zur Wahl wolle er sich aber trotzdem stellen.

Beim Wahlkongress könnten Hanning und dem amtierenden DHB-Präsidium die Verhältnisse im Verband allerdings tatsächlich das Genick brechen. Treten die Landesverbände einigermaßen geschlossen auf, besitzen sie die Mehrheit der Stimmen.