Bundestrainer Joachim Löw hat sich knapp einen Monat vor der WM in Brasilien selbstkritisch gezeigt und seinen Umgang mit den Spielern als Lernprozess bezeichnet. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich das ein oder andere Mal noch mehr auf Spieler hätte einlassen müssen", sagt Löw in einem Interview mit der "Zeit".
"Sie glauben gar nicht, wie wichtig Vertrauen und Wertschätzung in einem so sensiblen Geflecht ist. Es geht ganz schnell, dass man durch ein Turnier durchrauscht und am Ende merkt: Vielleicht hätte ich noch wachsamer sein, dem einen oder anderen noch mehr Aufmerksamkeit widmen können", äußerte der 54-Jährige und betonte: "Man darf keine Lieblinge haben." Er habe den Anspruch, "jedem Spieler eine Hauptrolle zuzuordnen - egal, ob Kapitän oder Ersatzspieler".
Das Formen einer WM-Mannschaft vor einem Turnier müsse man sich "ein bisschen wie die Erziehung von Kindern vorstellen. Die Spieler sind naturgemäß nicht mit allem einverstanden, was wir Trainer vorschlagen. Es dauert manchmal länger, bis sie sich darauf einlassen". Das alles "war bei mir durchaus mit einem Lernprozess verbunden".
Rat von Team-Psychologe Hermann
Im Doppel-Interview an der Seite von Löw betonte Team-Psychologe Hans-Dieter Hermann, der Bundestrainer habe von ihm in all den Jahren nur einen Rat gebraucht: "Überlege dir gut, wie ungeschützt du dich der Öffentlichkeit zeigst."Löw berichtete daraufhin, er habe zu Beginn seiner Zeit als Bundestrainer aus Selbstschutz versucht, bewusst eine bestimmte Rolle einzunehmen und sich der öffentlichen Meinung anzupassen. "Aber ich habe schnell erkannt, dass das Blödsinn ist", sagte er nun: "Ich kann nur überzeugen, wenn ich nach meiner Intuition handle und meinem Gefühl folge."