Für Sir Bradley Wiggins trägt Heiko Salzwedel Züge des Tulpengenerals. "Heiko ist wie van Gaal oder einer dieser anderen erfahrenen europäischen Manager", sagte der ehemalige Tour-de-France-Sieger der Zeitung Daily Telegraph über seinen deutschen Coach. Salzwedel soll den britischen Bahnrad-Vierer in Rio zu Olympia-Gold führen - zu Wiggins' letztem großen Karriereziel: "Er hat seine Philosophie und hält daran fest. Nicht jeder ist davon überzeugt, aber es scheint zu funktionieren."
Wiggins (35) und Salzwedel (58) - diese Kombination hat sich bereits im vergangenen Sommer bewährt, als der britische Superstar auf dem Londoner Olympia-Oval von 2012 im Lee-Valley-Velopark den Stundenweltrekord in eine neue Dimension trieb. Und auch in den Jahren 2001 bis 2003 sowie 2009/10 arbeiteten Wiggins und der international hoch dekorierte gebürtige Thüringer erfolgreich zusammen. Der Vergleich mit dem ziemlich sturen niederländischen Fußball-Trainer Louis van Gaal kommt also aus berufenem Munde.
Wiggins ist in dieser Woche neben dem britischen Sprinter Mark Cavendish der große Star der Bahnrad-Titelkämpfe. Auf ihn werden die Augen ganz besonders gerichtetsein - und dennoch strebt er nicht zwanghaft nach einem WM-Triumph beim Heimspiel.
"Was zählt, ist Rio"
"Wenn wir gewinnen - großartig. Aber wenn nicht, dann ist das auch nicht das Ende der Welt. Was zählt, ist Rio", sagte Wiggins. Das sah auch Salzwedel so: "Wir haben noch nicht den perfekten Mix gefunden. London ist so gesehen immer noch ein Vorbereitungsrennen" Wie stark der britische Verbund dennoch bereits ist, bewies der Sieg in der Qualifikation am Mittwochnachmittag (3:55,664 Minuten).
Für Wiggins, der seine ungeheure Popularität nach dem Tour-Sieg nie genossen hat, geht es nur um diesen einen Wettkampf im August in Brasilien. Darum drehen sich die Gedanken seit April 2015, als er bei Paris-Roubaix sein letztes großes Straßenrennen bestritt. Viermal schon hat Wiggins in seiner Laufbahn Olympia-Gold geholt, dreimal davon auf der Bahn. Rio soll der grandiose Abschluss werden.
Wiggins hat sich dafür noch einmal in eine explosive Kraftmaschine gewandelt. Der einst hagere Tour-Gewinner, der wenig später triumphal und lässig zugleich auf dem olympischen Zeitfahr-Thron in London Platz nahm, hat für sein großes Ziel noch einmal 14 Kilo an Gewicht draufgepackt. "Ich habe mit der Perspektive trainiert, dass das Rennen 3:50 Minuten lang ist und ich nicht klettern muss. Das habe ich lang genug gemacht", sagte er.
Salzwedel mit DDR-Vergangenheit
Salzwedel, der mit seiner Vergangenheit im DDR-Sportsystem durchaus auch umstritten ist, ist Wiggins' Inspiration. "Wenn Heiko nicht zurückgekommen wäre, würde ich Gold in Rio gar nicht anpeilen", sagte Wiggins. Shane Sutton, der Technische Direktor des britischen Verbandes, hat Salzwedel 2014 beim Segeln auf einem See nahe Berlin überredet - Wiggins war sein überzeugendstes Argument. "Der Auslöser war, dass Bradley mich wollte", gab Salzwedel zu.
Auch die riesige Erwartungshaltung hat beide von ihrer neuerlichen Liaison nicht abgehalten. Wiggins: "Ich akzeptiere den Druck. Ich bin ja deswegen zurückgekommen."