Jürgen Klopp tobte beim 3:3 in Frankfurt an der Seitenlinie so sehr, dass er auf die Tribüne verbannt wurde, Mats Hummels stapfte schimpfend in die Kabine. Kompaktheit und Automatismen? Fehlanzeige bei Borussia Dortmund. Schuld sind Rotation, Marco Reus und Mario Götze.
Jürgen Klopp war sauer. "Wir haben die unterschiedlichsten Phasen gehabt, seit ich in Dortmund bin. Was wir noch nicht hatten, war eine Phase wo wir viele Gegentore fressen", schimpfte der Coach von Borussia Dortmund bei Sky. Von der in der Vorsaison noch so hochgelobten Kompaktheit ist bei seiner Mannschaft derzeit wenig zu sehen - weder zuletzt gegen den Hamburger SV, noch gestern bei Eintracht Frankfurt.
"Wir sind bei zwei Gegentoren brutal ausgekontert worden", analysierte Klopp bei Liga total!. In den letzten drei Spielen kassierte der BVB insgesamt sechs Gegentreffer, acht hat das Team jetzt insgesamt auf dem Konto - die drittmeisten der ganzen Liga. Auffällig war zuletzt, dass die Gegentreffer gleich im Doppelpack fielen. Beim HSV (55./59.) fielen sie binnen vier Minuten, Frankfurt (49./51.) reichten zwei, um den zunächst eigentlich für äußerst komfortabel gehaltenen 2:0-Vorsprung Dortmunds zu egalisieren.
Doch woran liegt diese Vielzahl an Gegentreffern? Natürlich patzt die Abwehr, doch sie ist letztlich auch nur das letzte Glied in der mannschaftlichen Fehlerkette, die gepaart mit einigen individuellen Patzern zu dieser laut Klopp gegenüber derwesten.de "Scheiß-Statistik" führte. Mats Hummels, der zuletzt wegen schwächerer Leistungen gegen Ajax Amsterdam und den HSV kritisierte Innenverteidiger, bemängelte auf dem Weg in die Kabine der Commerzbank-Arena lautstark das "Scheiß Zusammenspiel!" beim BVB.
Dem BVB fehlen Stabilität und Automatismen
Und in der Tat, es mangelt nicht nur an der nötigen Konsequenz bei Attacken des Gegners, auch die Abstimmung in der Rückwärtsbewegung lässt stark zu wünschen übrig. "Die Abstände in den Mannschaftsteilen sind zu groß, kritisierte Sebastian Kehl. Abwehrarbeit beginnt schließlich bereits im Angriff. Die dort von Klopp eingeleiteten Umbaumaßnahmen sind der Auslöser dafür, dass die Mannschaft noch nicht wieder so gefestigt auftritt, wie in der Vorsaison. Nicht nur, dass mit Shinji Kagawa ein wichtiger Baustein den Club verlassen hatte, "wir haben mit Marco Reus und Mario Götze jetzt auch meist zwei andere Jungs dabei", erklärte Klopp bereits vor einigen Tagen laut morgenpost.de.
Reus war aus Gladbach gekommen, muss sich an die andere, viel laufintensivere Spielweise von Dortmund erst noch gewöhnen, Götze hatte die gesamte Rückrunde verletzt pausiert und findet in neuer, zentraler Rolle erst langsam zurück in die Mannschaft. Daher sind beide noch nicht bei 100 Prozent, wie ohnehin die ganze Mannschaft. Daher häufen sich im Aufbauspiel derzeit die Ballverluste, die gut organisierte Gegner wie Eintracht Frankfurt gestern mit Tempo, präzisen Laufwegen und exakten Pässen und Flanken zu gefährlichen Angriffen nutzen können und Borussia Dortmund sozusagen mit den eigenen Waffen schlagen.
Dass Klopp zusätzlich auf den Außen experimentiert und rotieren lässt, ist der Kompaktheit derzeit ebenfalls abträglich. Linksverteidiger Marcel Schmelzer gerät defensiv deutlich stärker unter Druck, wenn er nicht wie in der letzten Saison hauptsächlich Kevin Großkreutz vor sich hat, sondern wie gegen Frankfurt den dafür offensiv stärkeren Ivan Perisic. Gegen Hamburg hatte sich der Kroate auf rechts statt Jakub Blaszczykowski vor Lukasz Piszczek versuchen dürfen, was auch dort nicht unbedingt für defensive Stabilität sorgte und worunter letztlich ebenfalls die Innenverteidiger zu leiden hatten.
Borussia Dortmund mit schwerem Programm
Damit die Automatismen beim BVB wieder so greifen können wie noch vor der Sommerpause, braucht Klopp noch etwas Zeit. Doch wieviel Zeit hat er? Schließlich liegt Bayern München, derzeit in hervorragender Form, bereits jetzt mit sieben Punkten vor der Borussia. Weitere Punktverluste sollte sich bei Borussia Dortmund in den nächsten Wochen daher in Genzen halten, wenn man nicht weiter an Boden verlieren will. Angesichts der folgenden Gegner Manchester City und Real Madrid in der Champions League sowie Gladbach, Hannover und Schalke in der Bundesliga sicher kein leichtes Unterfangen.
Andererseits heißen die sieben Punkte Vorsprung derzeit noch gar nichts. Auch in der letzten Saison war Dortmund nicht optimal gestartet, hatte nur sieben Punkte aus den ersten sechs Spielen geholt (aktuell acht Zähler aus fünf Spielen), lag zwischenzeitlich acht Punkte hinter den Bayern, holte diese aber noch auf und wurde am Ende souverän mit ebenfalls acht Zählern Vorsprung Meister. Klopp ist sich der derzeitigen Probleme bewusst und auch sicher, diese schnell in den Griff zu bekommen. "Aber wir werden auch das angehen. Wir werden es schaffen, irgendwann weniger oder gar keine Tore mehr zu kassieren", schickte er eine Kampfansage an die nächsten Gegner.