Der sensationelle Gold-Lauf in die Geschichtsbücher raubte Rekordjägerin Laura Dahlmeier die allerletzten Kräfte. "Das war heute alles ein bisschen zu viel für mich. Es war so warm und ich hatte Blutdruckprobleme", sagte die 23-Jährige. Kurz zuvor hatte Deutschlands Biathlon-Ass bei der WM in Hochfilzen auch das kräftezehrende Einzel über 15 km gewonnen und ihre dritte Goldmedaille bei den diesjährigen Titelkämpfen eingefahren.
Bei Temperaturen von knapp 15 Grad verausgabte sich die Garmisch-Partenkirchnerin völlig und holte als einzige Skijägerin neben der Norwegerin Tora Berger (2012-2013) im neunten WM-Rennen in Serie eine Medaille. Im Ziel jubelte Dahlmeier zunächst noch ausgelassen, hyperventilierte anschließend jedoch, musste sich hinlegen und fehlte zunächst bei der Pressekonferenz. "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mich jetzt am liebsten ins Bett legen und die Augen zumachen", sagte Dahlmeier später.
Wirklich realisiert hatte sie da aber immer noch nicht, was ihr in Österreich gelungen war. "Ich habe den Film 'Mit den Waffen einer Frau' gesehen, da hat Magdalena Neuner 2007 drei Goldmedaillen gewonnen. Das war für mich damals unfassbar und ich habe mich gefragt, wie man so etwas schaffen kann", sagte Dahlmeier: "Jetzt stehe ich hier, habe selbst drei Goldmedaillen und noch eine silberne. Es ist wirklich unglaublich."
Jene Magdalena Neuner war am Mittwoch auch an der Strecke und jubelte ihrer ehemaligen Trainingspartnerin zu. Nur die Rekordweltmeisterin (2007, 2008 und 2011) und Andrea Henkel (2008) hatten zuvor je dreimal Gold bei einer WM für Deutschland geholt. "Es ist einfach großartig, was Laura macht. Ihre Abgeklärtheit und Coolness sind beeindruckend", sagte Neuner über Dahlmeier, die im Sprint auch schon Silber gewonnen hatte.
Neuner mit Titel im Einzel
Neuner, mittlerweile zweifache Mutter, gewann nie einen Titel im Einzel. Dahlmeier gelang das umso beeindruckender. Trotz eines Schießfehlers lag sie im Ziel vor der Tschechin Gabriela Koukalova (1/+24,7 Sekunden) und der fehlerfreien Italienerin Alexia Runggaldier (+1:45,6 Minuten). Es war insgesamt Dahlmeiers fünfter WM-Titel und die elfte WM-Medaille. Da auch in der Staffel und im Massenstart Edelmetall möglich ist, könnte sie das Ergebnis von Oslo 2016 (fünf Medaillen) noch toppen.
Doch an sechsmal Edelmetall wollte sie noch nicht denken. "Ich bin sehr kaputt, das waren Temperaturen wie im Sommer, aber ich bin eigentlich Wintersportler", meinte Dahlmeier und quälte sich ein Lächeln ab. Mit Blick auf die Staffel am Freitag sieht sie aktuell jedoch keine Probleme: "Ich freue mich erst mal sehr auf den freien Tag und bin überzeugt, dass ich mich wieder erholen kann."
Dahlmeier hatte die bisherigen zwei Einzelrennen des WM-Winters gewonnen und war im Vorfeld auch deshalb als Top-Favoritin auf Gold gehandelt worden. Beim Blick auf die Startlisten ließ sich aber bereits erahnen, dass an diesem Tag nicht nur die sportlichen Qualitäten ausschlaggebend sein würden. Während Dauerrivalin Gabriela Koukalova (Tschechien) bereits als 51. in die Loipe ging, entschied sich Dahlmeier für eine sehr späte Startzeit.
Wind als Hindernis
Als 93. von insgesamt 99 Athletinnen nahm die Bayerin ihre 15 km in Angriff, verbunden mit der Hoffnung, dass der tückische Wind, der immer wieder ins Stadion wehte, im Laufe des Wettkampfes vollständig zum Erliegen kommen würde. Eine ähnliche Taktik hatte schon Benedikt Doll im Männer-Sprint gewählt - am Ende sprang Gold heraus. Genau wie bei seiner Teamkollegin.
Wieder versetzte die junge Bayerin die deutsche Mannschaft in kollektiven Jubel, mit viermal Gold und einmal Silber ist die Bilanz nach sechs Rennen herausragend. "Es fällt mir langsam immer schwerer, etwas zu Lauras Leistungen zu sagen. So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig: "Das hätte sie sicher selbst nicht erwartet. Laura ist in einer überragenden Laufform."