Ein Bombenalarm kurz vor der Geisterstunde, ein Geisterspiel statt einer schönen Ballnacht und dazu noch ein verärgerter Trainer: Für Bayern München hätte es vor der Begegnung in der Champions League am Dienstag bei ZSKA Moskau ein bisschen weniger Aufregung auch getan. So aber kommt es zu einem Spiel, wie es die Münchner in den fast 52 Jahren, in denen sie an europäischen Wettbewerben teilnehmen, noch nicht erlebt haben.
Der Alarm, der den deutschen Fußball-Rekordmeister in der Nacht auf Montag in seinem luxuriösen Hotel direkt am Roten Platz aufschreckte und sich im Laufe des Tages als mysteriöser Bombenalarm entpuppte, war dabei noch das geringste Problem. "Das war wie früher in der Schule bei einem Feueralarm, dass man schnell die Klassenzimmer verlässt und sich auf dem Schulhof trifft", sagte Torhüter Manuel Neuer mit einem Grinsen. Nach knapp zwei Stunden war die Aufregung vorüber.
Erstmals vor leeren Rängen
Weit unangenehmer ist der Umstand, dass der FC Bayern sein 414. Spiel in einem europäischen Wettbewerb erstmals vor leeren Zuschauerrängen austragen muss. ZSKA, der russische Meister, ist wegen wiederholter rassistischer Ausfälle seiner Anhänger von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) dazu verdonnert worden - und die Münchner müssen es mit ausbaden. "Das ist eine komische Situation", sagte Sportvorstand Matthias Sammer vor der ungewöhnlichen Partie.
Am 4. Dezember 1962 hat der FC Bayern sein Heimspiel im Messepokal gegen Drumcondra Dublin vor der bisherigen Minuskulisse von nur 2500 Besuchern bestritten, das Spiel am Dienstag, das achte sogenannte Geisterspiel in der Champions League, hat aber eine ganz andere Dimension. "Ich habe das noch nie erlebt", sagte Coach Pep Guardiola, "und ich hoffe, das ist das letzte Mal." Arjen Robben malte sich aus: "Das sieht aus wie ein Trainingsspiel."
Sammer: "Wird heiße Partie"
Genau darin liegt die Tücke, doch derer sind sich die Bayern angeblich bewusst. "Wir wissen auch, dass es kein Trainingsspiel ist, sondern ein Champions-League-Spiel", sagte Torhüter Neuer. Darauf legte auch Sammer wert. "Das wird eine heiße Partie - zwar nicht von außen, aber auf dem Platz", warnte der Sportvorstand. Die Umstände, betonte er, "ändern aber nichts daran, dass wir, ich würde fast sagen, gewinnen müssen, wenn man sich die Gruppe anschaut."
In der Gruppe E hat der FC Bayern das Schwergewicht Manchester City am ersten Spieltag 1:0 besiegt, doch auch AS Rom präsentierte sich durch das verblüffende 5:1 gegen ZSKA als ernstzunehmender Anwärter auf einen Platz im Achtelfinale. "Eine höllische Gruppe" sei das, unterstrich Sammer. Und weil Moskau als schwächster Gegner gilt, wird der deutsche Rekordmeister vor ein paar Journalisten und Ordnern in der Chimki-Arena nichts zu verschenken haben.
Guardiola: "Können großen Schritt machen"
Für Guardiola ist die Begegnung eine wegweisende: "Wir haben eine große, große Chance", sagte er, "wir haben erst ein Spiel gewonnen, aber wir können einen großen Schritt machen." Unterschätzen, versprachen er und die Spieler, werden sie ZSKA trotz leerer Ränge und der Pleite der Russen in Rom nicht. "Das 5:1 spielt keine große Rolle, in der Champions League müssen wir Gas geben, egal ob es Moskau ist oder Madrid", sagte Robert Lewandowski.
Wenig hilfreich waren in der Vorbereitung auch die immer deutlicher werdenden Spannungen zwischen Guardiola sowie der medizinischen Abteilung um Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Bei der Verletzung von Thiago, der sich von einem von Guardiola empfohlenen Arzt hatte behandeln lassen, war es bereits zum Streit gekommen. Am Wochenende nun ärgerte sich der Trainer darüber, dass Jerome Boateng "immer vorzeitig raus muss".
Boateng war gegen Köln (2:0) im zweiten Spiel in Serie wegen Adduktorenproblemen ausgewechselt worden. Er müsse "nochmal mit den Ärzten sprechen", kündigte Guardiola an, er könne ja schließlich nicht dauernd einen Abwehrspieler auswechseln. Am Montag vor dem Abschlusstraining in Moskau verkündete der Trainer: "Alle sind fit." Wenigstens etwas.