In den letzten Jahren gab es für Roger Federer gegen Rafael Nadal bei den Grand Slam-Turnieren nichts zu holen. Doch bei den Australian Open 2014 könnte sich das Blatt wieder zu Gunsten des Schweizers wenden, glaubt sportal.de und nennt Gründe.
Die Vorfreude von Roger Federer auf das Halbfinal-Duell (Freitag, ab 9.30 Uhr im Live-Ticker) gegen Rafael Nadal ist groß. "Das wird hart, das wird brutal - ich freue mich drauf", blickte er nach seinem überzeugenden Sieg gegen Andy Murray auf das Duell mit seinem alten Widersacher - obwohl die Bilanz eindeutig gegen ihn spricht. Ganze 22 Mal hat der Schweizer gegen den Spanier im Laufe seiner Karriere bereits verloren, nur zehnmal selbst gewonnen.
Besonders das Duell im Finale der Australian Open 2009 dürfte beiden noch in bester Erinnerung sein. Über 4:19 Stunden und fünf Sätzen standen sich die beiden Kontrahenten in der Rod Laver Arena gegenüber, am Ende vergoss Federer bittere Tränen. Auf der großen Bühne der Grand Slam-Turniere gab es für Federer seitdem gegen Nadal gar nichts mehr zu bestellen - egal, wie hoch er vor den jeweiligen Turnieren von den Experten als Mitfavorit hochgejubelt worden war.
Doch ausgerechnet vor dem Australian Open-Halbfinale 2014 keimen berechtigte Hoffnungen auf, dass der im letzten für ihn so enttäuschenden Jahr in der Weltrangliste zurückgefallene und schon als Auslaufmodell abgeschriebene Federer trotz aller negativer Vorzeichen doch eine Chance gegen Nadal haben könnte. "Die Bilanz spricht für ihn. Aber wir werden vorbereitet sein", kündigte Federer nach einer Saison voller Selbstzweifel wieder entschlossen an.
Federer ist fit, die Beinarbeit auf Toplevel
Das neue Selbstbewusstsein bei Federer hat Gründe. Bei seinen Siegen gegen Jo-Wilfried Tsonga und bis auf seine Nervenschwäche im dritten Satz gegen Andy Murray rief Federer über weite Strecken seine alten Stärken ab. Er servierte sicher und souverän, bewegte sich gut auf dem Platz und schlug Winner um Winner. "Das merke ich vor allem bei meiner Beinarbeit. Im letzten Jahr hatte ich Probleme so wie Andy vielleicht heute. Man kann spielen, aber es ist nicht dasselbe", analysierte er hinterher. Zudem zeigte Federer neue Qualitäten - möglicherweise schon Resultat seiner noch recht frischen Zusammenarbeit mit Stefan Edberg.
"Schon in unserer ersten gemeinsamen Trainingswoche in Dubai haben wir darüber gesprochen, wie man gegen Nadal spielen muss", berichtete Federer. Und das zeigte er bereits in den ersten Runden. Immer wieder suchte er den Weg ans Netz. Gegen Murray, der eigentlich jederzeit in der Lage ist, tödliche Passierschläge auszupacken, stürmte der Schweizer couragiert 66 Mal ans Netz und schloss 74 Prozent seiner Netzangriffe erfolgreich ab.
Federer ist aggressiv und selbstbewusst
Sein Selbstvertrauen und die größere Aggressivität werden ihm auch gegen Nadal sicher helfen können, um die Ballwechsel gegen den Experten für lange Rallies möglichst kurz zu halten und den Spanier daran zu hindern, seine große Stärke auszuspielen. "Er muss sein Spiel mehr variieren", hatte Edberg zudem gefordert. Gegen Nadal könnte das bedeuten, dass er sich bei langen Ballwechseln eben nicht mehr in die ewigen Vorhand-Rückhand-Schlagabtausche verwickeln lässt, mit denen Nadal ihn in den letzten Jahren entnervte, sondern taktisch klüger operiert.
Was das bedeuten könnte, führte Grigor Dimitrov, von vielen bereits als Mini-Federer bezeichnet, im Viertelfinale gegen Nadal vor. Oftmals umlief er die Rückhand, zudem konnte er sich mit eingestreuten Slice-Bällen immer wieder aus der Defensive befreien oder den Weltranglistenersten damit zu Fehlern mit der Vorhand zwingen. Ein gutes Rezept auch für Federer? Der Schweizer hält sich verständlicherweise bedeckt, erklärte aber: "Weil ich körperlich wieder so gut drauf bin, kann ich mir Taktiken überlegen. Ich kann entscheiden, wie offensiv oder defensiv ich spielen will. Ich habe wieder alle Möglichkeiten", sagte der viermalige Melbourne-Sieger.
Nadal kämpft mit einer hartnäckigen Blase
Helfen könnte ihm zudem, dass Rafael Nadal seit seinem Achtelfinalerfolg über Kei Nishikori mit einer Blase in der Innenfläche seiner Schlaghand zu kämpfen hat. "Das Problem ist nicht die Blase, sondern die Stelle, an der sie aufgetreten ist. Man kann sie dort kaum abdecken. Es ist auch nicht wirklich schmerzhaft, aber ich muss mit einem Pflaster spielen. Beim Aufschlag habe ich damit das Gefühl, dass ich meinen Schläger verliere", klagte der 27-Jährige: "Das ist ein schreckliches Gefühl. Daher habe ich langsamer aufgeschlagen." Beeindrucken lässt sich Federer davon aber nicht.
"Ja, ja. Und dann kommen Bomben mit 210 Stundenkilometern angerauscht", lachte Federer mit den Aussagen seines Erzrivalen konfrontiert. "Er ist hart genug, dagegen anzuspielen - kein Zweifel." Viel lieber verlässt sich Federer auf seine eigenen Stärken und sein gestiegenes Selbstvertrauen. "Ich bin körperlich voll auf der Höhe, bin explosiv, kann die Bälle erlaufen und habe keine Angst es auch zu tun. Im letzten Jahr sah das zwar noch anders aus. Wichtig ist aber, dass ich es genau jetzt kann."
Reicht das auch für einen Sieg gegen Rafael Nadal? Wenn es nach Boris Becker geht ja. Der Novak Djokovic-Coach glaubt sogar an den Australian Open-Titel. "Mein Instinkt sagt mir: Federer gewinnt den Titel. Die Bedingungen kommen ihm entgegen. Er hatte noch kein langes Spiel, und Stefan Edberg sitzt in seiner Ecke", sagte Becker.