Alexander Zverev durfte sein geliebtes Paris hoch erhobenen Hauptes verlassen. Im Gepäck hatte die 1,98 Meter große Tennis-Hoffnung das bislang beste Grand-Slam-Ergebnis der Karriere. Und im Ohr sicher die vielen neuen Lobeshymnen der Experten, die Zverev als künftige Nummer eins sehen.
Ganz zufrieden war der 19-Jährige nach dem verpassten Achtelfinale bei den French Open trotzdem nicht. "Es war mein erstes Mal hier, und es war nicht schlecht. Aber ich habe noch in allen Bereichen Möglichkeiten, mich zu verbessern", sagte Zverev nach dem 7:6 (7:4), 3:6, 3:6, 3:6 gegen seinen Kumpel Dominic Thiem (Österreich/Nr. 13).
Der Weltranglisten-41. Zverev besiegelte durch seine Drittrunden-Niederlage das schlechteste Abschneiden der Deutschen in Roland Garros seit sechs Jahren. Und das 119 Tage nach dem Australian-Open-Triumph von Angelique Kerber. Damit geht das bedeutendste Sandplatzturnier erstmals seit 2010 ohne einen DTB-Profi im Einzel in die entscheidende zweite Woche.
"Die Bilanz ist schon ernüchternd"
Besonders die Frauen um die bereits in ihrem Auftaktmatch gescheiterte Kerber (Kiel/Nr. 3) enttäuschten. "Die Bilanz ist schon ernüchternd, wir haben andere Ansprüche", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner dem SID: "Aber in Wimbledon werden sich die Mädels wieder ganz anders präsentieren."
Vielleicht wird auch Zverev im Rasen-Mekka an der Church Road (ab 27. Juni) einen großen Coup landen. "Die Waffen dazu", meinte der dreimalige Wimbledonsieger John McEnroe (USA), die habe das "German Wunderkind". Zum Beispiel seinen Aufschlag, den er im Match gegen Thiem mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 208 km/h übers Netz drosch.
Die Experten jedenfalls sahen sich in Paris in ihren Prognosen bestätigt. Einen Tag vor seiner Anreise hatte "Sascha" das erste ATP-Finale seiner Karriere in Nizza verloren - ausgerechnet gegen Thiem. "Es läuft ganz gut momentan", sagte der Hamburger Zverev, den die New York Times in diesen Tagen adelte: "Deutschland hat einen aufgehenden Tennis-Stern."
Aus der hochgelobten "NextGen" im Welttennis mit Thiem (22), Nick Kyrgios (21/Australien) und Borna Coric (19/Kroatien) ist der kürzlich erst 19 Jahre alt gewordene Zverev der Jüngste. "Man spürt, dass die neue Generation im Kommen ist", bestätigte nach seinem Achtelfinal-Einzug auch Branchenführer Novak Djokovic. Der Serbe ist 29 Jahre alt.
"Ich war oft zu passiv"
Glaubt man seinem Gegner Thiem, dann war die fehlende Erfahrung von Zverev der Hauptgrund für dessen Drittrunden-Aus. "Den kleinen Unterschied haben die drei Jahre Altersunterschied zwischen uns ausgemacht. Sascha ist ein phantastischer Spieler ohne Schwächen", sagte der Weltranglisten-15. aus Niederösterreich, der vom ehemaligen Boris-Becker-Coach Günter Bresnik trainiert wird.
Zverev allerdings ging hart mit sich ins Gericht. "Ich hatte meine Chancen, konnte sie aber nicht nutzen. Ich war oft zu passiv", monierte der russisch-stämmige Schlaks. Nur eine von acht Breakmöglichkeiten verwertete er.
Besonders deprimiert blickte der Davis-Cup-Spieler drein, als er den Namen des Achtelfinal-Gegners erfuhr, mit dem sich jetzt Thiem auseinandersetzen muss. Der Spanier Marcel Granollers hatte dabei vom Nadal-Rückzug profitiert. "Dieses Spiel wäre jetzt nicht das schlimmste gewesen, das kann man gewinnen", meinte Zverev.
Für Trost sorgt in solchen Momenten vielleicht die Erinnerung an die Worte von Basketball-Superstar Dirk Nowitzki: "Er steht vor einer glänzenden Karriere, wenn er im Kopf normal bleibt", hatte das eine "German Wunderkind" einst über das andere gesagt.